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Nachlass Gerlich, Fritz (Bestand)
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Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Bayerischen Hauptstaatsarchivs >> 5 Abteilung V: Nachlässe und Sammlungen >> 5.1 Nachlässe und Familienarchive >> 5.1.2 Nachlässe >> Nachlässe F - K
1917-1933
Vorwort: 1. Zur Person Fritz Gerlich, am 15. Februar 1883 in Stettin geboren, studierte und promovierte in München im Fach Geschichte und trat danach in den höheren Archivdienst ein. Nebenbei publizierte er zahlreiche Artikel in verschiedenen Wochen- und Monatszeitschriften. 1920 bis 1928 war er Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“. Als solcher wollte er einen kritischen Bericht über die stigmatisierte Mystikerin Therese Neumann von Konnersreuth verfassen, wandelte sich aber, nachdem er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, vom Kritiker zum Fürsprecher und Vertrauten und trat zum katholischen Glauben über. Nach einer kurzzeitigen Rückkehr in den Archivdienst 1929 wandte er sich ab 1930 wieder hauptberuflich der Publizistik zu. Mit finanzieller Unterstützung durch den Fürsten Erich von Waldburg-Zeil, der wie Gerlich dem Konnersreuther Kreis um Therese Neumann angehörte, wurde er zum Herausgeber und Chefredakteur des katholischen Wochenblatts „Illustrierter Sonntag“, das er bald unter dem geänderten Titel „Der gerade Weg“ zu einer publizistischen Plattform gegen die nationalsozialistische Bewegung machte. Durch seine dezidiert antinationalsozialistische Haltung, die er bereits seit dem Hitlerputsch offen vertreten hatte, wurde er so zu einem der wichtigsten Vertreter des publizistischen Widerstands gegen die NSDAP. Mit einer klaren Sprache und einer fast reißerischen Aufmachung mit großen, in rot gehaltenen Schlagzeilen, aber auch mit Preisausschreiben und massentauglichen Berichten erreichte sein Blatt hohe Auflagen von teilweise über 100.000 Exemplaren. Adolf Hitler, dem er regelmäßig begegnete, da „Der gerade Weg“ anfangs in derselben Druckerei wie der „Völkische Beobachter“ gedruckt wurde, sah ihn als persönlichen Gegner an. Nur wenige Wochen nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurde Fritz Gerlich am 9. März 1933 in den Redaktionsräumen seiner Zeitung, die zuletzt unter dem Titel "Der Gerade Weg – Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht" erschien, von SA-Truppen überfallen, misshandelt und für fast 16 Monate in sogenannte Schutzhaft genommen. Im Zusammenhang mit dem sogenannten Röhm-Putsch wurde er ins KZ Dachau verlegt, dort am 1. Juli 1934 ermordet und seine Leiche verbrannt. Seinem Wirken im publizistischen Widerstand wird heute in verschiedener Weise gedacht, etwa durch Straßenbenennungen oder durch Gedenktafeln (in München z.B. in seinem ehemaligen Wohnhaus und in seinen ehemaligen Arbeitsstätten, darunter auch im Bayerischen Hauptstaatsarchiv). Im Jahr 2017 hat das Erzbistum München und Freising den Prozess für ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet. 2. Zum Nachlasserwerb Der ursprüngliche Nachlassbestand wurde durch Dr. Ludwig Weitmann, einem Neffen von Fritz Gerlich, 1933 aus dessen Münchner Wohnung gerettet. Weitmann, damals Rechtsreferendar und seit 1931 Mitarbeiter des „Natur-/Naturrechtsverlags“, erlebte am Abend des 9. März 1933 den Sturm eines bewaffneten SA-Trupps auf Redaktion und Verlag des „Geraden Weges“ in München mit. Er wurde dabei Zeuge der Misshandlung Gerlichs sowie der Zerstörung bzw. Verschleppung von Aktenmaterial. Die aus der Wohnung geretteten Unterlagen brachte Weitmann zunächst nach Eichstätt in das weitläufige Brauereianwesen Hofmühl der Familie Dr. ing. Richard Emslander, wo sich der Eichstätter Kreis der Therese-Neumann-Vertrauten häufig auch mit Fritz Gerlich getroffen hatte. Später überführte Dr. Weitmann die Unterlagen von Eichstätt nach Illertissen in das geräumige Haus seiner Schwester Harriet Gröber-Weitmann, die als Pianistin und Klavierlehrerin wirkte. Auf dem Dachboden dieses „Musikhauses“ lagerten die Unterlagen bis 1979, bevor der Unternehmer Dr. Max A. Hoefter (20. Februar 1939 – 26. Dezember 2018), Direktor der Tölzer Jodquellen AG bzw. Kurfürstin Adelheid GmbH, Kurdirektor und Gründer des Alpamare-Konzepts, Kenntnis von diesem Bestand erhielt. Frau Gröbner-Weitmann übergab dem seit 1976 in der Schweiz lebenden Hoefter die Unterlagen als Schenkung. Auf diese Weise gelangte der Nachlass Gerlich in die Schweiz. Im Jahr 2018 überließ Dr. Max A. Hoefter kurz vor seinem Tod den Nachlassbestand dem Freistaat Bayern und übergab ihn – ebenfalls als Schenkung – in die Obhut des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Unmittelbar nach der Übernahme des Nachlassbestandes im ursprünglichen Umfang (Nr. 1 bis 60 mit 3 Unternummern) in das Bayerische Hauptstaatsarchiv erfuhr der Bestand noch eine Ergänzung durch eine Schenkung des Historikers Dr. Helmut Demattio. Diese Unterlagen (Nr. 61 bis 66) waren ihm vor etwa zwei Jahrzehnten von der im Jahr 2012 verstorbenen Medien-Wissenschaftlerin und Lehrbeauftragten für Kommunikationswissenschaft an der Philosophischen Hochschule der Jesuiten in München, Sr. Dr. Gerburg Vogt SAC, ausgehändigt worden. Das Material war im Zusammenhang mit einem geplanten Filmprojekt zu Fritz Gerlich sowie zum 1933 ermordeten Gerlich-Informanten und SA-Agenten Georg Bell angefallen. Es umfasst Korrespondenzen und Vorarbeiten zum Projekt sowie eine Materialsammlung und gibt damit bereits Einblick in die Rezeption Fritz Gerlichs. 3. Zum Bestand Der Archivbestand „Nachlass Fritz Gerlich“ umfasst 69 Archivalieneinheiten (Nr. 1 bis 66 sowie die Unternummern 3a, 32a und 53a) und misst 2,8 laufende Regalmeter. Die Unterlagen wurden bereits vorarchivisch nach einem eigenen System erschlossen. Das zugehörige Regelwerk findet sich in der Materialsammlung zum Filmprojekt Gerlich (Nr. 62); es besagt, dass jedes Schriftstück mit einer mehrteiligen Sigle zu bezeichnen ist: Jahreszahl (einfache Zahl ohne Jahrhundertangabe) / Kategorie (z.B. "P" für Privatkorrespondenz) / Ordnernummer / laufende Nummer des Schriftstücks. Damit ergibt sich z.B. die Sigle "32 / W / 10 / 224"; diese Siglen wurden praktisch durchgehend verwendet und wurden auf sämtlichen Schriftstücken jeweils auf der ersten Seite oben mittig angebracht. Um diese vorgefundene Ordnung nicht zu zerreißen, wurden die vorgegebenen Kategorien im vorliegenden Findbuch als eigene Kapitel übernommen. Nach den Verzeichnungsregeln sind folgende Kategorien vorgesehen: „D: Drucksachen, sofern allein, sonst bei Brief lassen G: Geschäfts-Briefe "Illustrierter Sonntag" und "Gerader Weg" K: Korrespondenz nur über Konnersreuth M: Münchner Neueste Nachrichten; Berufskorrespondenz N: Korrespondenz mit Ingbert Naab, Waldburg-Zeil, Therese Neumann P: Privatkorrespondenz, Du-Briefe, Verwandte R: Private Rechnungen und ähnliches W: Leserbriefe "Illustrierter Sonntag" und "Gerader Weg" Z: Manuskripte, d.h. Entwürfe Presseartikel innerhalb Redaktion, von ständigen Journalisten." Da diese Angaben bereits in der Literatur zitiert worden sind (der Nachlass Fritz Gerlich wurde von Dr. Hoefter bereits in der Schweiz für die Forschung zugänglich gemacht und u.a. in der Gerlich-Biografie und der Gerlich-Quellensammlung von Rudolf Morsey zitiert), wurden die Ordnernummern beibehalten und als Archivsignatur übernommen. Dies schließt auch die drei Unternummern mit ein (3a, 32a und 53a). Somit entspricht die vorarchivische Sigle bereits der jetzt gültigen Archivsignatur. Für die ursprünglichen Ordner liegen fast durchgehend eigene Einzelübersichten der enthaltenen Schriftstücke vor. Diese Einzelübersichten sind den jeweiligen Archivalien vorangestellt, so dass bei der Benützung eine schnelle Übersicht über den Akteninhalt möglich ist. Auch diese Einzelübersichten folgen dem oben skizzieren Erschließungssystem und enthalten eigene Abkürzungen und Siglen. Die Einzelübersichten wurden diesem Findbuch im Anhang in einer Gesamtzusammenstellung beigegeben; dort ist auch eine Übersicht der verwendeten Abkürzungen zu finden. Fotografien oder Bilder sind in dem Nachlass nicht enthalten. Allerdings verfügen die Nachkommen der Familie von Therese Neumann über eine umfangreiche Bildersammlung zu Fritz Gerlich. In der Gerlich-Biografie von Rudolf Morsey sind die bekanntesten Fotografien von Fritz Gerlich abgedruckt. Im Stadtarchiv München wird unter der Signatur R 1116 eine Fotografie von Gerlich verwahrt, die sich als Reproduktion auch im Bayerischen Hauptstaatsarchiv findet (NL Hümmert, Ludwig 45). Der Bestand wurde im Frühjahr 2019 von Dr. Thomas Paringer im Archivinformationssystem des Bayerischen Hauptstaatsarchivs erschlossen. Der Nachlass enthält nicht nur Korrespondenzen, Entwürfe und Notizen Gerlichs aus mehreren Jahrzehnten, sondern auch Redaktions- und Geschäftsunterlagen aus seiner Zeit bei den „Münchner Neuesten Nachrichten“ und dem „Geraden Weg“. Einen Schwerpunkt bildet zudem der Themenkomplex „Therese Neumann von Konnersreuth“. Dass der Nachlass Fritz Gerlich nun letztendlich ins Bayerische Hauptstaatsarchiv gelangt ist, erscheint gleich aus mehreren Gründen folgerichtig: Als Publizist, Journalist und Meinungsmacher passt er ganz generell in das Sammelgebiet des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, wo sich bereits eine ganze Reihe von Journalistennachlässen befinden. Auch als kritischer Beobachter des unaufhaltsamen Aufstiegs Adolf Hitlers und seiner Bewegung ist er eine überlieferungswürdige Figur. Und schließlich war Fritz Gerlich von seiner Ausbildung und seinem Brotberuf her Archivar im bayerischen Staatsdienst. Seine Unterlagen gelangen somit in die Obhut seines Dienstherrn, des Freistaates Bayern. Dieser hat ihm im Oktober 2016 eine Gedenktafel im Vordergebäude des Bayerischen Hauptstaatsarchivs (Bauteil Ludwigstraße) gewidmet. In ebendiesem Gebäudeteil hat nun der Nachlass Fritz Gerlich seinen endgültigen Verwahrort gefunden. Mit dem Erwerb des Nachlasses Fritz Gerlich durch das Bayerische Hauptstaatsarchiv erhält die Überlieferung dieses exponierten und streitbaren Publizisten endlich auch den ihm gebührenden Platz in der Forschungslandschaft. Dr. Thomas Paringer im Februar 2019
Nachlass Gerlich, Fritz
70
Bestand
Akten
ger
Angaben zum entzogenen Vermögen
Sonstige Angaben
BZK-Nr.
Die Bundeszentralkartei (BZK) ist das zentrale Register des Bundes und der Länder zu den durchgeführten Entschädigungsverfahren. Bei der Aufnahme eines Verfahrens in die BZK wurde zur eindeutigen Identifizierung eine Nummer vergeben. Diese BZK-Nummer bezieht sich nicht auf eine Person, sondern auf ein Entschädigungsverfahren: Hat eine Person mehrere Ansprüche geltend gemacht (z.B. für sich selbst und für Angehörige), liegt im Normalfall für jedes Verfahren eine eigene BZK-Nummer vor. Häufig wurde als BZK-Nr. schlicht das Aktenzeichen der jeweiligen Entschädigungsbehörde übernommen.
Diese Nummer ist für eine Anfrage im entsprechenden Archiv wichtig.
Delikt nach NS-Justiz
Handlungen, die im Nationalsozialismus überhaupt erst kriminalisiert wurden (z.B. Heimtückegesetz, "Judenbegünstigung") oder die die NS-Justiz in verschärftem Maß verfolgte (z.B. Hochverrat).
Verfolgungsgrund
Die hier angegebenen Gründe orientieren sich am Wortlaut der in den Quellen genannten Verfolgungsgründe.
Rolle im Verfahren
„Verfolgte Person“ meint eine Person, die einen Entschädigungsanspruch für einen Schaden durch NS-Verfolgung geltend machte. Wenn der Antrag nicht von der verfolgten Person selbst, sondern von einer anderen Person gestellt wurde, so wird diese als „antragstellend“ angegeben und ihre Beziehung zur verfolgten Person, soweit vorhanden, vermerkt. In den Quellen wird die verfolgte Person mitunter als „Geschädigter“, die antragstellende Person als „Anspruchsberechtigter“ bezeichnet.
Suche im Archivportal-D
Weitere Archivalien zu dieser Person über die Wiedergutmachung hinaus können Sie eventuell im Archivportal-D finden.
Nähere Angaben zum Verfolgungsgrund
Ergänzende oder spezifischere Angaben zu Mitgliedschaft, Gruppenzugehörigkeit bzw. Gruppenzuschreibung, die Anlass für die Verfolgung war.