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Die Flibustier
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AmZ 31 (Nr. 40, 7.10.1829), Sp. 662–665. „Ueber die Oper: ‚Die Flibustier, Text von Ed. Gehe, Musik von C. Lobe. Zum ersten Male in Weimar am fünften September aufgeführt. Bey der Menge italienischer und französischer Opern, die seit Jahren auf die Repertorien der deutschen Bühnen gekommen sind, und den armen deutschen Componisten den Weg versperren, ihre Werke zu Gehör zu bringen, ist die Aufführung einer neuen deutschen Oper eine so erfreuliche Erscheinung, dass es wohl gestattet seyn mag, etwas ausführlich darüber zu berichten, zumal, wenn der Componist derselben, noch in dem frühern Mannesalter, durch dieselbe beurkundet, er sey ganz vorzüglich für diese Gattung musikalischer Compositionen berufen, und wenn man nach dem, was er in diesem seinem Werke leistete, mit Gewissheit erwarten darf, er werde in seinen späteren Tondichtungen noch Trefflicheres leisten. Das Textbuch der Flibustier ist von Ed. Gehe, dem wir schon mehre gelungene Operndichtungen verdanken, grösstenteils nach der herrlichen Erzählung van der Velde's: ‚die Flibustier und Bukanier‘ bearbeitet, und die Veränderungen, die für die Bühne nothwendig waren, sind durchaus nur zu loben. Der Inhalt ist die Eroberung Panama's durch den Flibustierhäuptling Morgan, die beabsichtigte Rache desselben an seinem Todfeinde, dem spanischen Statthalter Gusmann, der Untergang Morgans durch die List Boa's, des Anführers der unterjochten Indianer, die durch Ueberfall ihr Joch abzuschütteln versuchen, und die Rettung Gusmann's durch Alonso, einen edlen Bukanier, dessen Liebe zu Maria, Gusmann's Tochter, von ihr erwiedert, in das Ganze verflochten ist. Des Dichters Hauptverdienst ist die geschickte Herbeyfuhrung wirklich musikalischer Situationen, und deren contrastirende Gruppirung und Steigerung. Zu loben ist ferner die interessante Schürzung, und die natürliche, und doch überraschende Lösung des Knotens, so wie die Kürze und der rasche Gang der Handlung. Schwächen sind das zuweilen Gezwungene, Gezierte der, übrigens poetischen, blühenden Sprache und einiger Mangel völliger Klarheit in der Exposition. Der Componist, Mitglied der Grosherz. S. Kapelle, der sein Talent durch verschiedene originelle instrumental-Compositionen bewiesen hat, zeigt in diesem seinem grössern Gesangswerke, dass er auch in dieser Gattung sehr Vorzügliches zu leisten im Stande sey. Die Musik ist wahrhaft dramatisch, und schmiegt sich treu an den jedesmaligen Moment. Wie des Componisten reiche bewegliche Phantasie sich in die verschiedenartigsten Gemütszustände und Charactere zu versenken – die nationalen Eigenthümlichkeiten der handelnden Personen, und die feineren Unterschiede des Geschlechts, Alters u. s. w. scharf aufzufassen, und in Tönen wiederzugeben vermöge, beweisst fast jedes Stück der Oper, vor allen andern aber beweisen es am deutlichsten die Arien des Flibustiers Morgan und des Indianers Boa, die beide in ihnen ihre Wuth und heisse Sehnsucht nach fürchterlicher Rache mit hoher Wahrheit, und doch wieder auf so verschiedene Weise aussprechen – die zarte innige Arie der Maria im ersten Akte, die Alonso's, ähnlichen Inhalts, im dritten – das zweyte und dritte Final. Die Ouverture malt Maria's heitere Seefahrt. Andantino F dur 9/8. In dem folgenden Tempo, Allegro moderato dringt das Verderben aus der Ferne heran, aengstliche Ahnung tönt in den Blasinstrumenten, und in dem Allegro più mosso kämpfen mannigfaltige Gefühle in immerwährender Steigerung. Die Ouverture ist von schöner Wirkung und sprach allgemein an. Die Einleitung No. 1. bildet ein Chor der Flibustier, die schmausend und zechend, am Meeresstrande ihren wilden bachantischen Jubel in einem Allegro 9/8 H moll und dur treiben. Das zweyte Tempo drückt die Angst der verfolgten Maria, und die Gier der drei verfolgenden Flibustier mit gleichem Glücke aus. Im Schlusssatze thun zwar die Flibustier mit Alonso, dem Neffen ihres Anführers, recht freundlich, und überlassen ihm gegen gutes Gold Maria, ihre Beute, aber ihrer etwas rüden Melodie hört man es doch an, dass es ihnen nicht von Herzen geht, und dass sie das Mädchen gar gern für sich behielten. – No. 2. Duett zwischen Maria uud Alonso ist eins der schönsten Stücke der Oper. Es hat ungemein zarten, innigen Ausdruck und schildert die in Beyder Herzen entstehende Liebe. No. 3. Duett (Morgan und Alonso) malt den Stolz des Spaniers, und steigert gegen das Ende den Ausdruck bis zur wilden Sehnsucht nach Rache. No. 4. Arie, Maria. Trefflich, wie schon oben bemerkt wurde. No. 5. Tanz. Die Musik dazu ist auf der Bühne, und hat hübsche Melodie, ist aber den tanzenden Spaniern wohl nicht ganz angemessen. No. 6. Erstes Final, scheint vom Dichter und Componisten absichtlich weniger bedeutend gehalten zu seyn, könnte aber vielleicht doch interessanter seyn, ohne desshalb den folgenden Akten Abbruch zu thun. – Zweiter Akt. No. 7. Duett zwischen Maria und Alonso. Ein leidenschaftliches, charactervolles Stück, das jedoch die Menge weniger, als den Kenner befriedigt. No. 8. Aria, Alonso. Von ausgezeichnet schöner und brillanter Wirkung. Eine Scene, in der sich der Sänger eben so sehr, als der Schauspieler zeigen kann. No. 9. Arie Morgans mit Chor. Die verschiedenen Gefühle, welche in Morgan's wildem, düstre Rache brütendem Gemüthe kämpfen, und zu denen er seine Flibustier hinreisst, sind vom Componisten tief aufgefasst und auf grossartige Weise ausgedrückt. So ist ein gewaltiges Tonstück entstanden, das von mächtiger Wirkung ist. Es verlangt aber eine sehr kräftige Bassstimme, da die Instrumentation sehr reich, hier und da vielleicht überreich ist. Nr. 10. Ensemble und Chor. Maria und flüchtende Jungfrauen. So effectvoll dieses Stück, das fast nur aus einem einzigen grossen Crescendo besteht, an sich ist, so kann es doch nicht seine ganze Wirkung hervor bringen, da es zwischen zwey so bedeutenden Stücken steht, als Morgan's Arie und das zweyte Final sind. Dieses, Nr. 11, hat mannigfaltige Momente, die trefflich hervorgehoben sind, und endigt mit einem wahrhaft grossen Ensemble und Chor, das durch poetischen Schwung und südliches Feuer und Leben den Zuhörer hinreisst. – Dritter Akt. Die Zwischenmusik ist genau der Chor der Indianer zu Anfang des Finals, und deutet so auf den Hauptmoment der Handlung. Nr. 13. Arie, Boa. Fis moll 3/4 Allegro feroce. Ein so originelles und charakteristisches Tonstück, dass Ref. kein ähnliches ihm an die Seite zu setzen weiss. Nr. 14. Terzett und Arie Morgan's. Im Kerker. Boa's Falschheit und das Aengstliche der ganzen Situation sind sehr treu ausgedrückt. Der Schlusssatz (Arie Maria) ist ein leidenschaftliches und für die Sängerin sehr effectvolles Stück. Nr. 15. Aria Alonso. Von herrlicher Wirkung an sich selbst, und durch die Stelle, die ihr der Dichter mit Glück anwiess. Nr. 16. Final. Es besteht grösstenteils aus Chören der Indianer, von denen ganz das gilt, was oben von der Arie Boa's bemerkt wurde. Es ist als Schluss des Ganzen das gesteigerteste und interessanteste Stück der Oper, und krönt das Ganze. Die Ausführung war durchaus nur zu loben. Alle Theilnehmende schienen eine ganz besondere Liebe fur das Werk gefasst zu haben. Die Hauptrollen hatten Dem. Schmidt (Maria), Herr Moltke (Alonso), Herr Genast (Morgan), Herr Laroche (Boa), Herr Franke (Gusmann). Die Chöre wurden sehr präcis und gut ausgeführt, und die brave Grossherzogl. Kapelle unter der Leitung unsers verdienstvollen Hummels trug nicht wenig zum Gelingen des Ganzen bey. Die Anordnung von Seiten des Regisseurs, Hrn. Laroche, war vortrefflich, und für Decorationen und Costumes hatte man viele Sorgfalt angewandt. Die Partieen der Maria und des Alonso sind vom Dichter und Componisten auch in Hinsicht der Abgänge besonders berücksichtigt worden, und daher, wenn, erst die Oper an mehren Orten auf dem Repertorium ist, wie sie es so sehr verdient, für Gast- und Debutrollen ganz geeignet. Die Oper wurde bey aufgehobenem Abonnement gegeben, dennoch war das Haus ziemlich besetzt, und jedes Musikstück wurde applaudirt, die meisten erhielten lebhaften und rauschenden Beyfall. Das aber ist hier noch nie mit irgend einer Oper der Fall gewesen, und will bey unserm nicht eben besonders warmen Publicum sehr viel bedeuten.“ (Ebd.)