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Johann Georg Mosmann an Karl Weltzien
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27072 Nachlass Karl Weltzien >> 1 Korrespondenzstücke in der alphabetischen Folge der Absender >> 1.106 Mosmann, Johann Georg
1857 April 30, Chur
Enthält: (1r) Weltziens Wirkungskreis an der Polytechnischen Schule wächst. Mosmann sieht darin den Lohn für Weltziens beharrliches Streben, "die chemische Abteilung [...] aus dem unter [Friedrich August] Walchner eingerissenen Schlendrian in eine lebensfrische Bahn und zu ersprießlicherer Produktivität zu bringen". Weltziens Kurse werden von einer "gewaltigen Schülerzahl" besucht, (1v) was Mosmann mit Weltziens Wesen erklärt, das frei ist "von aller gelehrter Pedanterie" und voll von wissenschaftlichem Streben, sowie durch "die geistreiche Lebendigkeit" seines Vortrags. Dagegen erscheint Mosmann die Polytechnische Schule Zürich als armselig, obwohl von der Presse versucht wird, ihr Ansehen zu heben. Die Chemische Fachschule hatte im vergangenen Jahr dreizehn Schüler, von denen elf bei (Georg Andreas Karl) Staedeler und zwei bei (Pompeius Alexander) Bolley im technischen Labor arbeiteten. Mosmann bittet Weltzien, an ihn zu denken, wenn Repetenten anzustellen sind. (2r) Er hat während seiner neun Jahre in Chur eine praktische Lehrmethode erworben und ist auf eine entsprechende Aufgabe gut vorbereitet. Mosmann wäre auch bereit, beim Unterricht der Chemisch-technischen Fachschule mitzuwirken, etwa durch Vorträge über Stöchiometrie, Kristallografie und physikalisch-chemische Propädeutik. Zwar ist Mosmann mit seiner Stellung und Einrichtung an der Kantonsschule (Chur) zufrieden, doch strebt er weiterhin nach beruflichem Aufstieg und einer damit einhergehenden finanziellen Verbesserung. Selbst bei strengster Sparsamkeit ist es nicht mehr möglich, einen gesellschaftlich angemessenen Lebensstandard zu wahren. Seit einigen Jahren steigen die Lebenshaltungskosten stark an. (2v) Bei Ankunft in Chur kostete das Klafter Holz 5,10 Franken, inzwischen sind es 15 Franken. Butter und Vieh gehen nach Paris auf den Markt, das Holz nach Belgien und Holland. Man ist auf einen Nebenverdienst angewiesen, was an der beruflichen Fortbildung hindert und in der Wissenschaft zurückfallen lässt. Mosmann wünscht sich eine Stellung, in der er sich unbesorgt der Fachwissenschaft hingeben kann. Wenn er seine Kraft nicht in Nebenzwecke wie Fabrikbauten und die Einrichtung technischer Betriebe stecken müsste, würde er ebenso gute wissenschaftliche Leistungen erbringen wie die Autoren der chemischen Journale. (3r) Bereits in Karlsruhe hat Mosmann sich vorzugsweise mit der chemischen Technik der Gasbeleuchtung beschäftigt. Nach Ankunft in Chur wurde er mit der Leitung eines "Verkohlungsgeschäftes" betraut, das er seit 1849 gänzlich umgestaltet und bedeutend erweitert hat. Jetzt ist es eine schönes, ertragreiches Unternehmen. Den bei der Verkohlung von Föhrenholz entstehenden Gasen hat Mosmann von Anfang an besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Gerne würde er es zur Beleuchtung verwenden, um dadurch die Rendite der Fabrik zu erhöhen. Um die Qualität des Gases und dessen Leuchtkraft zu verbessern, veränderte er mehrfach den Prozess der trockenen Destillation. (3v-4r) Mosmann beschreibt sein Vorgehen bei den Versuchen zur Verbesserung von Quantität und Qualität der Teer- und Brandölgase bei der Verkohlung. Er beschreibt die einzelnen Versuchsaufbauten und fügt entsprechende Zeichnungen bei sowie seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen. (4v) Ein Verfahren führte zu einer sehr vollständigen Vergasung. Vom Anfang bis zum Ende der Destillation entstand sehr hell leuchtendes Gas in enormer Menge. Allerdings konnte Mosmann wegen der Lage der Fabrik keinen Gasometer aufstellen, um die erhaltene Gasmenge zu messen und zum Verbrennen aufzubewahren. (5r) Die Fabrik liegt an einem schroffen Bergabhang in einer schmalen Talschlucht am Ufer der Plessur (4v: Lagezeichnung der Teerschwelerei). Mosmann untersuchte das Gas in seinem Laboratorium. Er fügt seiner detaillierten Beschreibung eine Zeichnung des Versuchsaufbaus bei. Der Apparat eignet sich für Versuche im Rahmen des Unterrichts. (5v) Die Versuche ergaben, dass man bei dem von Mosmann entwickelten trockenen Destillationsprozess etwa sechsmal soviel kohlensäurefreies Leuchtgas mit wesentlich stärkerer Brennkraft erhält als nach der herkömmlichen Methode. Mosmann unternahm weitere Abwandlungen des Prozesses, beispielsweise durch Verwendung von Föhrenholz geringerer Qualität (6r) und Füllung der Flintenläufe mit "Coaks". Durch einen beschriebenen und in einer Zeichnung dargestellten Apparat demonstrierte Mosmann den Fabrikbesitzern Masner und Braun seine Entdeckungen und versuchte, sie zur Beteiligung an der projektierten Gasbeleuchtung von Chur zu bewegen. Die Herren waren sehr beeindruckt. Allgemein bedauerte man die beengte Lage der Fabrik, durch die ein Auffangen und Lagern des Gases unmöglich ist. Auch eine Rohrleitung zu einem nahe der Stadt befindlichen Gasometer ist nicht möglich, (6v) da die Fabrik zu weit außerhalb liegt und ein solches Projekt zu teuer wäre. Daher schlug Mosmann den Fabrikbesitzern den Bau einer neuen, kleinen Gasfabrik nahe Chur vor, die mit der bisherigen Teerschwelerei unter ein Dach zu bringen sei. Dieses Gasbeleuchtungsprojekt für Chur ist fast vollständig ausgearbeitet und als Anlage beigefügt. Mosmann erläutert seinen projektierten Gasofen und die baulichen Unterschiede zu seinen Versuchsaufbauten. Inzwischen ist das Projekt veraltet, Mosmann erbittet aber das Urteil von Weltzien und (Ferdinand) Redtenbacher. (7r) Man trat von verschiedenen Seiten an Mosmann heran, um das Projekt zur Grundlage einer Aktiengesellschaft zu machen. Dafür benötigt er ein Expertengutachten. Außerdem möchte er den Beweis dafür haben, dass er allein auf sich gestellt (7v) vor sieben Jahren das Problem löste, mit dessen Bewältigung (Max) Pettenkofer soviel Ruhm erntet. Im vergangenen Jahr fand anlässlich der Installation der Holzgasbeleuchtung in Zürich ein "Gasfest" statt, auf dem Pettenkofer als Held gefeiert wurde. Im Unterschied zu Mosmann hatte Pettenkofer Unterstützung von Bauräten und Ingenieuren. Seine Erfindung hat er patentieren lassen und macht aus Konstruktion und Effizienz ein Geheimnis. Mosmmann vermutet, dass Pettenkofers und sein eigener Apparat prinzipiell gleich konstruiert sind. (8r) Mosmann hat sich auf seine Forschung nie etwas eingebildet und sie als auf der Hand liegend betrachtet. Er dachte auch nie, dass dies ein Politikum werden könnte und vermutete, dass ein Projekt zur Gasbeleuchtung nur in holzreichen Gegenden umzusetzen sei. Aus diesen Gründen hat er hierzu nichts publik gemacht. Die Fabrik auf dem Sand ist Anfang der 1850er Jahre durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters abgebrannt. Masner und Braun beauftragten Mosmann mit dem Bau einer neuen Fabrik, die auf dem Gasbeleuchtungsprojekt basiert. Die "neue Theerschwelerei" (8v) steht nun in der schönsten Lage von Chur. Mosmann arbeitete ein Jahr daran, allerdings wurden letzten Endes die Apparate in alter Form belassen und auf größere Ausbeute an Teer, Brandöl, Holzessig und Kohle ausgerichtet. Das entstehende Gas wurde zur Befeuerung der Retorte verwendet. Heute floriert der Betrieb. Nach dem Bau der Fabrik erlitt Mosmann eine Knieverletzung, an der er zwei Jahre lang litt. Nachdem diese ausgeheilt war, zog er sich eine Halskrankheit zu, die schon eineinhalb Jahre andauert. Während dieser Zeit konnte er weder an einem technischen Betrieb noch an einem Laboratorium arbeiten. (9r) Dadurch wurde er "fast melancholisch", verlor beinahe das Interesse an der Wissenschaft und kam in ökonomische Bedrängnis. Unter diesen Umständen besaß er weder Mut noch Muße, Publikationen zu verfassen, und auch das Gasbeleuchtungsprojekt geriet in den Hintergrund. Nun hegt Mosmann den Wunsch, seine früheren praktischen Arbeiten zu veröffentlichen, vor allem um die Priorität oder zumindest Gleichzeitigkeit seiner Forschung zum Holzgas mit der Arbeit Pettenkofers darzustellen. Er gönnt Pettenkofer Ruhm und Reichtum und möchte nur öffentlich machen, was er isoliert und ohne jede (9v) Unterstützung geleistet hat. Da er keinen Kontakt zu den großen Zeitschriften hat und sich auch nicht dem Vorwurf der Gehässigkeit aussetzen will, bittet er die Polytechnischen Schule Karlsruhe als außenstehende, sachkundige Partei um eine Einschätzung seiner Arbeit. An (Pompeius Alexander) Bolley kann er sich nicht wenden, da Mosmann sein Konkurrent um die Stelle in Zürich war. (10r) Fällt das Urteil zu Mosmanns Gunsten aus, bittet er Weltzien um einen kleinen Bericht in einer entsprechenden Zeitschrift. Dieser Bericht würde Mosmanns persönlicher Befriedigung sowie als Empfehlung gegenüber Naturwissenschaftlern in Deutschland dienen. Dies würde auch die Veröffentlichung späterer Arbeiten in den einschlägigen Organen erleichtern.