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Urlaubsreise in die Schweiz, Südfrankreich und Norditalien / Tagebucheintrag zum 12. Mai 1907
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Enthält (Blatt 15 recto - 20 recto):
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Den 12. Mai, Avignon.
Eine Abreise zu früher Morgenstunde war bis jetzt nur illusorisch, darum wundert es mich nicht, daß es auch heute wieder 8 Uhr wird, bis wir Lyon Adieu sagen.- Immer der Rhone entlang, an Weinbergen vorüber, kommen wir nach Vienne mit seiner schönen alten Kirche. Unser Wagen läuft prächtig, wir sind daher um so unangenehmer überrascht kurz vor einem Dorfe Reifendefect zu haben, der uns
Foto: In Savoyen. [Victoria-Automobil mit Nürnberger Autokennzeichen; IIN-162; Reifenpanne; Reifenschlauch; Reisegruppe; Herrenfahrer; Pannenhelfer]
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Foto: Unfreiwilliger Aufenthalt. [Victoria-Automobil mit Nürnberger Autokennzeichen; Reifenpanne; Reifenschlauch; Reisegruppe; Herrenfahrer; Frauen mit Hutschleier; Pannenhelfer]
beinahe 1 Stunde aufhält.-
Es ist drückend heiß, ich gehe noch ein Stückchen dem Dorfe zu, breite meinen Mantel unter einem Lindenbaum aus u. benütze die Pause zu einem herrlichen, "dolce far
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niente." Das ganze Dorf scheint wie ausgestorben zu sein, nichts regt sich und man könnte glauben, daß sich kein lebendes Wesen hier befindet; nur der leichte Rauch , der langsam durch die heiße, zitternde Luft in die Höhe steigt, belehrt uns eines Andern.- Mit halbgeschlossenen Augen sehe ich auf die ziemlich vernachlässigten, verfallenen Häuser u. meine Phantasie spiegelt mir vor, in einem von Kriegern verwüsteten Ort zu sein.- In der Ferne höre ich noch die abziehenden Soldaten, - - - - doch nein, - - - - das Geräusch kommt näher, - - unser Auto ist's, - rasch steige ich ein - - und weiter geht die Fahrt.-
In Tournont waren Schätzlers, die inzwischen abgefahren waren, schon
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anwesend u. hatten uns bereits die Wege zu einem vorzüglichen Diner geebnet.- Unser armer Chauffeur war jedoch in der Zeit, während wir schwelgten, dem Hungertode nahe, trotzdem ihm der Kellner seine ganze Speisekarte herleierte, wovon er allerdings kein Wort verstand.- Was helfen die schönsten Pferde wenn sie nicht gesattelt sind! Resigniert dreht ihm schließlich Eßkofier den Rücken zu, bis ihm jemand zu Hilfe eilt.-
Wir halten uns nicht lange hier auf, fahren über eine Brücke u. dann am andern Ufer der Rhone entlang. Eine kleine Ortschaft reiht sich an die andere.- Die niederen, dicht aneinander gebauten Häuschen, mit ihren flachen kaum vorspringenden Dächern, bilden eine lange
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schmale Straße. Man glaubt zwischen zwei Mauern zu fahren, umsomehr, da sich nirgends Leben zeigt.- Die Türen u. Fensterläden sind fest geschlossen, - wohl der Hitze wegen -, ja die Letzteren machen sogar in ihrer gleichmäßigen Farbe den Eindruck, als ob sie hingemalt wären.-
Kleine Städtchen dagegen bieten wieder ein bedeutend lebhafteres Bild. Vor den Häusern sitzen in Gruppen die Frauen u. Mädchen mit tadellosen Frisuren, alte Frauen aber mit frischen weißen Häubchen u. hin und wieder sieht man einen Kinderwagen fahrenden Vater.-
Vor den kleinen Restaurants unter dichtbelaubten Platanen, sitzen nur die Herren der Schöpf-
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ung. Eines aber vermisse ich auch hier, man sieht kein Blümchen vor den Fenstern u. kein weißer Vorhang läßt darauf schließen, daß viel Wert auf ein gemütliches Heim gelegt wird.-
Wieder auf der Landstraße, gibt es einige Male eine Mützenjagd, denn es ist etwas windig geworden, u. in flotter Fahrt gehts dahin.
Durch Valence u. Montelimar fahren wir ohne Aufenthalt, aber Orange ist viel zu interessant um nicht ein Stündchen zu opfern. Der Triumphbogen bei der Einfahrt in die Stadt frei dastehend, ist 21 v. Chr. erbaut u. man steht staunend vor diesem alten schönen Bauwerk.-
Nun fahren wir noch durch ganz enge Straßen,
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beständig unter einer Markise. Diese Sonnendächer bieten einen vollständigen Schutz für die ganze Straße, da jedes bis zur Mitte derselben reicht.- Der Besuch des alten Amphitheaters wird mir wohl auch stets unvergeßlich bleiben. Selbstverständlich kann man sich durch keine der Abbildungen den Zauber vorstellen, den diese alten Mauern auf uns ausüben.- Wir steigen ganz hinauf u. lauschen andächtig einem Lied, das uns Frau Rikoff zum Besten gibt. Aus den Steinsitzen wuchert das Gras, geborstene Säulen u. Stücke herrlicher Sculptur liegen umher u. dennoch fällt mir ziemlich weit oben eine gut erhaltene weiße Marmorsäule auf.- Wie gerne hielte ich mich hier länger auf, doch
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unser Pensum ist noch nicht erreicht!
Die heimatlichen Bäume schwinden immer mehr! Überall die düstere Cypresse, lange Platanenalleen u. weiß blühende Hecken! Die Straße ist zum Teil sehr schlecht, doch warnen Tafeln schon 200m vorher vor den gefährlichen Straßenrinnen.-
Immer lebhafter wird's auf dem Wege, Fuhrwerke jeder Art begegnen uns, karrenartige Wagen, dichtbesetzte Omnibusse, mit drei oder 4 kleinen Pferdchen bespannt, Einspänner u. Auto's in dichter Reihenfolge. Selbstverständlich schließen wir daraus, daß in dem nicht mehr weit entfernten Avignon irgend eine Festlichkeit sein wird.- Das Leben u. Treiben, das wir nun sehen übertrifft jedoch alle
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unseren Erwartungen!
In den Straßen ist es so lebhaft, daß wir uns eiligst in einen Seitenweg flüchten, aber die Leute in ihrer überquellenden Freude sind trotz der Störung nicht autofeindlich gesinnt, sie jubeln uns zu u. würden gerne Platz machen, wenn dies nur möglich wäre.-
Ich schreibe einen kleinen Zeitungsartikel ab, den ich zufällig lese: "Le concours et les fêtes qui l'accompagnaient ont en un grand, un énorme succès; depuis la visite du regretté president Carnot l'on avait vu à Avignon une aussi grand affluence de visiteurs. Les rues étaient noires de monde, le cortège des musiques a en toutes les peines du monde à
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ecreuler dans la rue de la République et sur la place de l'Horlage, ce qui a considérablement valenti son défilé ......["]
Es war ein Musikfest u. hatte doch den Anstrich eines Volksfestes.- Glücklich landen wir im Hotel de l'Europe.-
Foto: Avignon [Denkmal du Centenaire]
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Die großen Betten, mit den weißen Vorhängen, die altertümlichen Kommoden u. die langen schmalen Spiegel, erinnern mich sehr an Schwind's, - doch ist nicht lange Zeit zu Betrachtungen, uns lockt es hinaus in den Trubel u. erst in später Nacht kehren wir zurück, - -
noch aber höre ich singen u. der Lichtschein der Illumination dringt herauf in mein Zimmer.-
Umfang/Beschreibung: 6 Blatt
Archivale
Bemerkungen: In braunem Leder gebundene Kladde mit 136 handbeschriebenen Seiten und 47 teilweise zugeschnittenen eingeklebten Fotografien. Auf den Innenseiten des Buchdeckels Wappenmuster und zwei eingeklebte Verkaufsmarken: "C. Müller S.18 Nürnberg" sowie des Herstellers "Edler und Krische Hannover"
Indexbegriff Sache: Klassifikation E 10-Bestände: Tagebücher und Notizen
Sperrgründe: Schutzmedium vorhanden: Digitalisat
Avignon
Avignon, Denkmal du Centenaire
Avignon, Hotel de l'Europe
Lyon
Montélimar
Orange, Amphitheater
Orange, Triumphbogen
Savoyen
Tournont
Valence
Vienne, Kirche
Tagebuch
Reisetagebuch
Urlaubsreise
Urlaubseindrücke
Eindrücke, Urlaub
Reisebeschreibung
Beschreibung, Reise
Schweiz, Südfrankreich
Norditalien
Autoreise, frühe
Autofahrt
Automobil
Abreise
Morgenstunde
Illusion
Rhone
Weinberge
Kirche, Vienne
Wagen
Dorf
Reifendefect
Reifendefekt
Panne
Autopanne
Victoria-Automobil
Nummernschild
Nürnberger Autokennzeichen
Autokennzeichen, Nürnberger
IIN-162
Reifenpanne
Reifenschlauch
Reisegruppe
Herrenfahrer
Automobilisten
Pannenhelfer
Aufenthalt, unfreiwilliger
Frauen mit Hutschleier
Aufenthalt
Hitze
Mantel
Lindenbaum
Pause
dolce far niente
Dorf, ausgestorben
Wesen, lebendes
Augen, halbgeschlossene
Häuser, vernachlässigt
Häuser, verfallen
Phantasie
Krieger
Ort, verwüsteter
Ferne
Soldaten, abziehende
Geräusch
Fahrt
Diner, vorzügliches
Chauffeur, armer
Hungertod
Kellner
Speisekarte
Sprichwort: Was helfen die schönsten Pferde wenn sie nicht gesattelt sind
Resignation
Eßkofier
Escoffier
Rhonebrücke
Rhoneufer
Ortschaft, französiche
Häuschen, niedere
Flachdächer
Straße, schmale
Mauern
Leben
Türen
Fensterläden
Städtchen, kleine
Bild, lebhaftes
Häusern
Gruppen
Frauen und Mädchen
Frisuren, tadellose
Frauen, alte
Häubchen, weiße
Vater mit Kinderwagen
Restaurants
Platanen, dichtbelaubt
Herren der Schöpfung
Blümchen, Fenster
Vorhang, weißer
Heim, gemütliches
Landstraße
Mützenjagd, Windstoß
Fahrt, flotte
Aufenthalt
Triumphbogen, Orange
Triumphbogen, römisch
Bauwerk, schönes altes
Straßen, enge Straßen
Markise
Sonnendächer
Schutz, vollständiger
Straßenmitte
Besuch
Amphitheater, Orange
Abbildungen
Zauber
Mauern, alte
Lied
Gesang
Steinsitzen
Gras, wuchert
Säulen, geborstene
Sculptur
Skulpturen, Bruchstücke
Marmorsäule, weiße
Pensum
Bäume, heimatliche
Cypresse
Zypressen, düstere
Platanenalleen, lange
Hecken, weiß blühende
Straße, sehr schlecht
Verkehrsschilder
Warnschilder
Warntafeln
Straßenrinnen, gefährliche
Fuhrwerke
Wagen, karrenartige
Omnibusse, dichtbesetzte
Pferdchen, vorgespannt
Einspänner
Stau
Festlichkeit, Avignon
Leben und Treiben
Erwartungen
Straßen, lebhafte
Seitenweg flüchten
Leute
Freude, überquellende
Störung
Autofeinde
Jubel
Zeitungsartikel, kleiner
Zeitungsartikel, französische Sprache
Musikfest
Volksfest
Hotel de l'Europe, Avignon
Denkmal du Centenaire, Avignon
Betten, große
Vorhänge, weiße
Kommoden, altertümliche
Spiegel, lange, schmale
Schwind
Betrachtungen
Trubel
Nacht, späte
Rückkehr
Lichtschein
Illumination
Zimmer
Angaben zum entzogenen Vermögen
Sonstige Angaben
BZK-Nr.
Die Bundeszentralkartei (BZK) ist das zentrale Register des Bundes und der Länder zu den durchgeführten Entschädigungsverfahren. Bei der Aufnahme eines Verfahrens in die BZK wurde zur eindeutigen Identifizierung eine Nummer vergeben. Diese BZK-Nummer bezieht sich nicht auf eine Person, sondern auf ein Entschädigungsverfahren: Hat eine Person mehrere Ansprüche geltend gemacht (z.B. für sich selbst und für Angehörige), liegt im Normalfall für jedes Verfahren eine eigene BZK-Nummer vor. Häufig wurde als BZK-Nr. schlicht das Aktenzeichen der jeweiligen Entschädigungsbehörde übernommen.
Diese Nummer ist für eine Anfrage im entsprechenden Archiv wichtig.
Delikt nach NS-Justiz
Handlungen, die im Nationalsozialismus überhaupt erst kriminalisiert wurden (z.B. Heimtückegesetz, "Judenbegünstigung") oder die die NS-Justiz in verschärftem Maß verfolgte (z.B. Hochverrat).
Verfolgungsgrund
Die hier angegebenen Gründe orientieren sich am Wortlaut der in den Quellen genannten Verfolgungsgründe.
Rolle im Verfahren
„Verfolgte Person“ meint eine Person, die einen Entschädigungsanspruch für einen Schaden durch NS-Verfolgung geltend machte. Wenn der Antrag nicht von der verfolgten Person selbst, sondern von einer anderen Person gestellt wurde, so wird diese als „antragstellend“ angegeben und ihre Beziehung zur verfolgten Person, soweit vorhanden, vermerkt. In den Quellen wird die verfolgte Person mitunter als „Geschädigter“, die antragstellende Person als „Anspruchsberechtigter“ bezeichnet.
Suche im Archivportal-D
Weitere Archivalien zu dieser Person über die Wiedergutmachung hinaus können Sie eventuell im Archivportal-D finden.
Nähere Angaben zum Verfolgungsgrund
Ergänzende oder spezifischere Angaben zu Mitgliedschaft, Gruppenzugehörigkeit bzw. Gruppenzuschreibung, die Anlass für die Verfolgung war.