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Aufnahme einer Vortragssituation am Institut für Sexualwissenschaft
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Schwarz-Weiß-Fotografie, die eine neunköpfige Menschengruppe zeigt, die sich in einem Raum vor einem Podest versammelt hat, auf dem Karl Giese (der Archivleiter des Instituts für Sexualwissenschaft) vor einer Bilderwand steht. Die Aufnahme erfolgte von der dem Podest gegenüberliegenden Seite. Alle Personen sind Giese zugewandt und daher von hinten oder von der Seite zu sehen. Die Aufnahme vermittelt den Eindruck, dass Giese einen Vortrag hält. Die hinter ihm an der Wand hängenden Bilder zeigen Aufnahmen von z. T. unbekleideten Menschen und (medizinischen) Untersuchungsszenen, die z. T. sehr explizit sind. Viele der Bilder sind auf Tableaus in zumeist Vierergruppen angeordnet, jedes der Tableaus trägt oben ein (nicht lesbares) Schild. Über den Tableaus hängen weitere gerahmte Bilder, die aufgrund des Bildausschnitts jedoch nur halb zu sehen sind. Rechts im Raum befinden sich ein Fenster, durch das Licht nach innen dringt, sowie ein Geländer.
Kontext:
Das Bild wurde aufgenommen, um eine öffentliche Führung von Besuchenden durch das Institut für Sexualwissenschaft zu illustrieren. Diese Führungen fanden zwar tatsächlich statt, vielleicht wollten die Personen, die daran teilnahmen, jedoch nicht fotografiert werden, weshalb dieses Bild nachgestellt wurde. Adelheid Schulz, eine ehemalige Angestellte des Instituts erzählte später in einem Interview, dass die Personen auf dem Foto alles Mitarbeitende des Instituts waren. Karl Giese, der die Führungen leitete, war der Leiter des Archivs des Instituts.
Die Bildtafeln im Hintergrund gehören zu der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“. Die Wand wurde für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern. Sie ist in vier Bildergruppen aufgegliedert:
Zwischenstufen der Geschlechtsorgane 1–4
Zwischenstufen sonstiger körperlicher Eigenschaften 5–9
Zwischenstufen des Geschlechtstriebs 10–12
Zwischenstufen sonstiger seelischer Eigenschaften 13–17
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.
Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Bildunterschrift in Die Aufklärung, 1. Jg, Heft 5: Der Archivleiter K. Giese erläutert während einer der regelmäßigen Sonnabendführungen das Archiv für Sexualwissenschaft
Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Berlin
FSIFS-112_a
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin
Fotografische Sammlung des ehemaligen Instituts für Sexualwissenschaft