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Untersuchung des Todesfalls der ertrunkenen Frau des Gymnicher Müllers; Streit um die Jurisdiktionskompetenz
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Schöffengericht Kerpen >> 9 Das Gericht als Beklagtenpartei
1675
Enthält: Am 27.1.1675 erscheint vor Statthalter Domas und dem Gericht von Gymnich der Müller der Gymnicher Mühle, Peter, und berichtet, was am Tag zuvor bereits als Gerücht im Dorf Gymnich umlief; dass er in der Nacht vom 25. auf den 26.1., zwischen 11 und 12 Uhr, als er einmal aufgestanden und nach draußen gegangen war, "seine noturft zu thun", bei der Rückkunft seine Frau nicht im ihrem Bett vorfand. Kurz darauf hörte er die Hausglocke schlagen und sah die Türe offenstehen. Da der Wind ihm das Licht, das er in Händen hielt, ausblies, konnte er aber weiter nichts erkennen. Er rief etliche Male: "Griet, Griet", in die Dunkelheit, bekam aber keine Antwort. Daraufhin weckte er seinen Sohn Simon, seine Tochter und die Knechte, und mit Lampen und Fackeln machten sie sich um die Mühle herum auf die Suche. Sie suchten den ganzen nächsten Tag, fragten in den umliegenden Dörfern nach und fanden sie schließlich, "leider", ertrunken etwa zwei Musketen-Schuss weit unterhalb der Mühle in der Erft. Statthalter und Gericht besichtigten den Ort und die Leiche und befanden: Sie lag "gantz nackend" mit dem Gesicht nach unten. Das Nachthemd, das sie trug, war ihr über den Kopf gerutscht. Das Wasser hatte sie ans gegenüberliegende Türnicher Ufer geschwemmt. Nun entsteht ein Streit zwischen den Gymnicher Statthalter und Schöffen und dem Türnicher Gericht, das ebenfalls, durch wen auch immer gerufen, herbeigekommen war, wer für die Untersuchung des Falls, den Abtransport und das Begräbnis der Toten zuständig sei. Die Türnicher, sich auf den Anlandungsort berufend, wiesen schließlich den Müller an, die Leiche auf seinem Karren nach Türnich zu bringen und dort auf seine Kosten aufzubewahren zu lassen, bis sie über das weitere Vorgehen Bescheid von ihrer Herrschaft hätten. Nichtsdestoweniger wurde Peter Müller, zusammen mit seinem Sohn, dem Mahlknecht Arnold Budtgen und dem Ölschlägersknecht Friedrich Juden, inzwischen vom Gymnicher Gericht vernommen. Alle stimmen darin überein, dass zwischen den Müllersleuten am fraglichen Abend weder ein böses Wort noch sonst ein Ärgernis vorgefallen war, sondern der Mann, nachdem er noch eine Prise Taback "getruncken" hatte, und die Frau, nachdem sie noch ein wenig gesponnen und dann ihr schmerzenden Bein verbunden hatte, wie sonst zu Bett gegangen waren. Von einem vorausgehenden Streit des Müllers mit dem Knecht wegen der nicht ausreichenden Versorgung der Pferde, hatte die Frau keine Kenntnis. Tatsache ist jedoch, dass die Müllersfrau seit einer erst vor kurzem überstandenen Krankheit etwas "schwach von heubt" war. Sie redete, so ihr Mann, bisweilen verwirrt, wiederholte Dinge 10 bis 20 mal und "fabelte" - auch an diesem Abend. Der Sohn bestätigt dies. Er habe noch versucht, sie in ihrer "Melancholie" etwas abzulenken und aufzumuntern. [Die Frau hatte möglicherweise nach heutigem Verständnis einen Schlaganfall erlitten und litt nun unter Demenz oder auch Depressionen]. Nicht nur wegen des Streits um die Zuständigkeit, sondern auch wegen der Frage der rechtlichen Beurteilung des Falls, sprich: ob ein Selbstmord vorliegt, der dann mit der Verweigerung des christlichen Begräbnisses und der Konfiskation des Vermögens der Toten geahndet werden müsse, holt das Gymnicher Gericht im Auftrag seines Herrn, des Freiherrn Wolff Metternich zur Gracht als dem Vormund des noch minderjährigen Herrn Quadt von Gymnich, bei dem Lizentiaten Johann Georg Tils ein Gutachten ein. Dieser tritt dafür ein, dass sich ein Selbstmord ("homicidium suiipsius horrendum et detestabile") nicht nachweisen lasse. Vielleicht sei die Frau beim nächtlichen Austritt in der Dunkelheit einfach ins Wasser gefallen und bei der Kälte und Strömung der Erft [und weil sie vermutlich nicht schwimmen konnte] weggeschwemmt worden und ertrunken. Aufgrund ihrer geistigen Verwirrung sei sie wohl auch zu gar keiner bewussten Selbstmordabsicht fähig gewesen. Es liege also ein Unglücksfall vor, für den keiner bestraft werden müsse. In der Frage der Zuständigkeit argumentiert er, dass die Müllerin auf Gymnicher Gebiet ins Wasser gefallen sei, daher auch Gymnich die Jurisdiktion gebühre. NB: Tils erhält für sein Gutachten von den Gymnicher Herren einen Rtlr mehr als üblich und bedankt sich höflich dafür ("weilen sonsten in dergleichen Urtheilen Guldt undt Silber zum wenigsten pfleget gegeben zu werden"). Trotz des Protests des Türnicher Gerichts bewilligen am 29.1. die Gymnicher im Einvernehmen mit ihrer Herrschaft, dass die Müllerin am folgenden Tag auf dem Gymnicher Kirchhof nach katholischen Brauch begraben werden dürfe. Der Landdechant Conrad Flocken gibt die Anweisung an den Vizepfarrer von Gymnich bzw. den Pfarrer von Balkhausen ("Balethausen"), falls dieser für zuständig erkannt werde, weiter.
Schriftstücke: 8 (+1)
Archivale
Budtgen, Arnold, Mahlknecht
Domas, Johann Jodocus, Statthalter in Gymnich 1675
Feurpeill, Caspar, aus Gymnich
Flocken, Conrad, Landdechant
Hambloch, Reinhardt, in Gymnich
Hieronymi, Reinhardt, in Gymnich
Juden, Friedrich, Ölschlägersknecht
Juden, Jan, aus Gymnich
Müller - Simon, Sohn von Peter
Müller - Peter, in der Gymnicher Mühle
Müller - Griet, Frau von Peter, dem Müller der Gymnicher Mühle
Müller - Theiß, in Gymnich
Quadt von Gymnich <<1675
Tils, Johann Georg, Lizentiat
Voiß, Elisabeth
Wolff Metternich zur Gracht
Balethausen<<
Gymnich - im/auf dem Voiß-Winkel
Gymnich - am Betteldorn
Gymnich - Mühle
Köln - St. Andreas
Meller, Catharina, Tochter von +Adolph Meller
Türnich, Herrlichkeit
Begräbnis
Depressionen
Jurisdiktionskompetenzstreit
Kriegslasten
Mißernten
Mühlensachen
Rentverschreibung
Schlaganfall
Selbstmord
Tod durch Ertrinken
Verkaufsbrief
Angaben zum entzogenen Vermögen
Sonstige Angaben
BZK-Nr.
Die Bundeszentralkartei (BZK) ist das zentrale Register des Bundes und der Länder zu den durchgeführten Entschädigungsverfahren. Bei der Aufnahme eines Verfahrens in die BZK wurde zur eindeutigen Identifizierung eine Nummer vergeben. Diese BZK-Nummer bezieht sich nicht auf eine Person, sondern auf ein Entschädigungsverfahren: Hat eine Person mehrere Ansprüche geltend gemacht (z.B. für sich selbst und für Angehörige), liegt im Normalfall für jedes Verfahren eine eigene BZK-Nummer vor. Häufig wurde als BZK-Nr. schlicht das Aktenzeichen der jeweiligen Entschädigungsbehörde übernommen.
Diese Nummer ist für eine Anfrage im entsprechenden Archiv wichtig.
Delikt nach NS-Justiz
Handlungen, die im Nationalsozialismus überhaupt erst kriminalisiert wurden (z.B. Heimtückegesetz, "Judenbegünstigung") oder die die NS-Justiz in verschärftem Maß verfolgte (z.B. Hochverrat).
Verfolgungsgrund
Die hier angegebenen Gründe orientieren sich am Wortlaut der in den Quellen genannten Verfolgungsgründe.
Rolle im Verfahren
„Verfolgte Person“ meint eine Person, die einen Entschädigungsanspruch für einen Schaden durch NS-Verfolgung geltend machte. Wenn der Antrag nicht von der verfolgten Person selbst, sondern von einer anderen Person gestellt wurde, so wird diese als „antragstellend“ angegeben und ihre Beziehung zur verfolgten Person, soweit vorhanden, vermerkt. In den Quellen wird die verfolgte Person mitunter als „Geschädigter“, die antragstellende Person als „Anspruchsberechtigter“ bezeichnet.
Suche im Archivportal-D
Weitere Archivalien zu dieser Person über die Wiedergutmachung hinaus können Sie eventuell im Archivportal-D finden.
Nähere Angaben zum Verfolgungsgrund
Ergänzende oder spezifischere Angaben zu Mitgliedschaft, Gruppenzugehörigkeit bzw. Gruppenzuschreibung, die Anlass für die Verfolgung war.