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A03-Bestand Nachtstudio (Bestand)
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Am 10. Dezember 1948 begann bei Radio München die Sendereihe "Nachtstudio", die als Diskussionsforum für geistige Fragen konzipiert war. Die Radiowelt kündete die neue Reihe im Hörfunkprogramm mit den Worten an: "Nachtstudio bei Radio München. Diese neue Sendereihe, der wir am Freitag zum ersten Mal begegnen werden, soll neben einem Einblick in die großen Werke der Vergangenheit eine Diskussionsbasis für alle geistigen Fragen bieten, die uns heute bewegen. Alle Möglichkeiten, vom Gespräch über die Interpretation bis zur Hörspielform werden dafür verwendet." Den Auftakt machte die Sendung "Die westliche Tradition ist noch im Werden" des britischen Kulturtheoretikers Arnold Toynbee. Erster Leiter wurde 1948 Dr. Gerhard Szczesny, der seit 1940 als freier Schriftsteller in München lebte und für verschiedene Zeitungen schrieb. Den Anspruch der Reihe formulierte er 1952 so: "Die spezifische Aufgabe des Nachtstudios liegt primär nicht darin zu beschreiben, zu unterrichten und zu belehren. Wir wollen vielmehr sachlich gut fundierte Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen liefern, die die geistige Auseinandersetzung fördern, indem sie sie herausfordern." Dem Namen entsprechend war der Sendeplatz anfänglich zwischen 23 Uhr und 24 Uhr festgelegt.
Für die Redaktion arbeiteten lange Jahre Dr. Gustava Mösler, Leonhard Reinisch, Kurt Hoffmann und Willy Hochkeppel. Mit ihnen baute Szczesny die Reihe 1957 zum sogenannten Sonderprogramm aus, was mehr Sendezeit bedeutete und gleichzeitig den günstigen Sendeplatz ab 21 Uhr. Aus einer Stunde Sendezeit in der Woche wurden 10 1/2 an drei Tagen in der Woche. Neben zahlreichen Einzelsendungen etablierten sich Sendereihen wie "Drei Personen suchen einen Autor", "Marginalien", "Die Zeitschriftenschau" oder die Literatursendung "Neue Taschenbücher". Im Halbjahresprogramm 1958 ist zum Sonderprogramm zu lesen: "Es soll nicht irgendeine 'Elite' angesprochen werden, sondern jeder aufgeschlossene Mensch, der die Vorgänge in der Welt, in die er gestellt ist, mit Anteilnahme verfolgt. Der Rundfunk ist wie keine andere publizistische Institution in der Lage, Millionen von Menschen jedes Bildungsgrades und jeder sozialen Schicht zu jeder Stunde und an jedem Ort mit den Ereignissen und Vorstellungen unmittelbar bekannt zu machen."
1961 gerieten drei Nachtstudiosendungen bei konservativen und kirchlichen Kreisen in die Kritik: "War ich kein Zeuge" von Hermann Kesten, eine Gesprächssendung mit Robert Neumann und schließlich die Sendung "Katholizismus in einem kommunistischen Land" des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski, deren Ausstrahlung vom damaligen Intendanten Christian Wallenreiter verhindert wurde. Nachdem der Rundfunkrat die Absetzung der Kolakowski-Sendung im November 1961 gebilligt hatte, reichte Szczesny seinen Abschied ein. Das Nachtstudio / Sonderprogramm fächert ein weites Spektrum auf, das von Literatur, Musik und bildender Kunst über Wissenschaft und Politik bis zum allgemeinen Zeitgeschehen reicht. Schriftsteller/innen, Philosoph/innen und Naturwissenschaftler/innen schrieben für das Nachtstudio, zum Teil waren sie bereits sehr renommiert, zum Teil sollten sie ihre großen Erfolge erst in den darauffolgenden Jahren haben. Um einige Namen der 1950er und 1960er Jahre zu nennen: Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Hilde Spiel, Hermann Kesten, Ingeborg Bachmann, Wolfgang Hildesheimer, René König, Alexander Mitscherlich, Erika Mann, Theodor W. Adorno oder Elias Canetti. Neben der literarischen und philosophischen Prominenz waren auch theologisch namhafte Gelehrte im Nachtprogramm präsent. Zu ihnen zählten Martin Buber, Karl Rahner oder Joseph Ratzinger. Ebenso etablierte sich eine Musiksendung, verantwortet von Ulrich Dibelius, die zeitgenössische Komponisten wie Pierre Boulez oder Hans Werner Henze präsentierte.
Von 1961 bis 1963 leitete Dr. Gustava Mösler das Sonderprogramm kommissarisch. Am 1. Februar 1963 übernahm Kurt Hoffmann die Leitung, und im gleichen Jahr erfolgte die Eingliederung in die Hauptabteilung Kultur und Erziehung - wieder unter der ehemaligen Bezeichnung Nachtstudio. 1971 wurde aus der Redaktion ein Ressort der Abteilung Kunst und Wissenschaft, das 1973 - wieder als Redaktion Nachtstudio - in die Hauptabteilung Kultur eingegliedert wurde. Die Leitung hatte von 1973 bis 1989 Leonhard Reinisch, von 1990 bis 2006 Peter Laemmle. 2006 - nach dem überraschenden Tod von Peter Laemmle - wurde die Redaktion Nachtstudio in die Redaktion Kulturkritik integriert, das Ressort übernahm Barbara Schäfer. Nach der Umorganisation entstand die neue Reihe nachtstudio.kleinformat. Jeden letzten Dienstag im Monat sind thematisch unabhängige Module, Kurzessays und Rubriken zu hören, die monatlich, vierteljährlich oder in loser Folge wiederkehren. Unter diesem Format zu hören sind die Sendungen "kiosk" - eine internationale Zeitschriftenschau, "schwarzes brett" - eine Diskurs-Auswahl sowie "nemo" - ein literarisches Quiz mit Gästen.
Zum Bestand
Der Bestand Nachtstudio ist ab Sendestart, dem 10. Dezember 1948, im Historischen Archiv vorhanden. Es handelt sich um Manuskripte der Sendungen und Schriftwechsel mit den Autor/innen. Falls die Manuskripte in der Akte nicht mehr vorhanden sind, ist dies vermerkt. Der Schriftwechsel besteht größtenteils aus unveröffentlichten Autographen zahlreicher - vorwiegen deutscher - Schriftsteller/innen, Philosoph/innen und Wissenschaftler/innen des 20. Jahrhunderts und ermöglicht einen interessanten Einblick in die Rundfunkarbeit. Wegen der Besonderheit und Vollständigkeit des Bestandes sind die Briefe einzeln mit Datum erfasst. Die Akten sind mit Namen, Sendetitel und Sendedatum in der Datenbank FAUST erschlossen.
Seit dem 8.3.2011 sind die Manuskripte digital in der Objektart "Manuskripte" verzeichnet, nicht mehr die Papierakten. Zusätzlich sind die Manuskripte von 1948 bis 28.12.1957 retrodigitalisiert.
Teil I: Nachtstudio 1948-1959;
Teil II: Nachtstudio 1960-1969;
Teil III: Nachtstudio 1970-1979;
Teil IV: Nachtstudio 1980-1989;
Teil V: Nachtstudio 1990-2012;
Weiterführende Literatur und Sendungen
- Boll, Monika, Nachtprogramm - Intellektuelle Gründungsdebatten in der frühen Bundesrepublik, Münster 2004;
- Boll, Monika, Das Kulturradio nach 1945, In: Behmer, Markus, Hasselbring, Bettina (Hg.), Radiotage, Fernsehjahre, Münster 2006;
- Korsukewski, Sabine, Der Fall Szczesny - Zum Verhältnis von Kreativität und Kontrolle im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem, Berlin 1980;
- Rittner, Sabine, Alles Nette von immer der Ihren: Schriftsteller-Schriftwechsel aus dem Historischen Archiv des Bayerischen Rundfunks, Erstsendung 24.9.2005;
- Schäfer, Barbara, Pellegrino, Antonio, Nachtstudio - Radioessays, BRradiobuch, München 2008;
- Tauber, Ernst, Das Nachtprogramm - Eine Untersuchung dieser Sendereihe anhand des Nachtstudios am Bayerischen Rundfunk, München 1957;
Die Bundeszentralkartei (BZK) ist das zentrale Register des Bundes und der Länder zu den durchgeführten Entschädigungsverfahren. Bei der Aufnahme eines Verfahrens in die BZK wurde zur eindeutigen Identifizierung eine Nummer vergeben. Diese BZK-Nummer bezieht sich nicht auf eine Person, sondern auf ein Entschädigungsverfahren: Hat eine Person mehrere Ansprüche geltend gemacht (z.B. für sich selbst und für Angehörige), liegt im Normalfall für jedes Verfahren eine eigene BZK-Nummer vor. Häufig wurde als BZK-Nr. schlicht das Aktenzeichen der jeweiligen Entschädigungsbehörde übernommen.
Diese Nummer ist für eine Anfrage im entsprechenden Archiv wichtig.
Delikt nach NS-Justiz
Handlungen, die im Nationalsozialismus überhaupt erst kriminalisiert wurden (z.B. Heimtückegesetz, "Judenbegünstigung") oder die die NS-Justiz in verschärftem Maß verfolgte (z.B. Hochverrat).
Verfolgungsgrund
Die hier angegebenen Gründe orientieren sich am Wortlaut der in den Quellen genannten Verfolgungsgründe.
Rolle im Verfahren
„Verfolgte Person“ meint eine Person, die einen Entschädigungsanspruch für einen Schaden durch NS-Verfolgung geltend machte. Wenn der Antrag nicht von der verfolgten Person selbst, sondern von einer anderen Person gestellt wurde, so wird diese als „antragstellend“ angegeben und ihre Beziehung zur verfolgten Person, soweit vorhanden, vermerkt. In den Quellen wird die verfolgte Person mitunter als „Geschädigter“, die antragstellende Person als „Anspruchsberechtigter“ bezeichnet.
Suche im Archivportal-D
Weitere Archivalien zu dieser Person über die Wiedergutmachung hinaus können Sie eventuell im Archivportal-D finden.
Nähere Angaben zum Verfolgungsgrund
Ergänzende oder spezifischere Angaben zu Mitgliedschaft, Gruppenzugehörigkeit bzw. Gruppenzuschreibung, die Anlass für die Verfolgung war.