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Akten der Gestapo-Außenstelle Mainz zur Aktion ‚Gitter’ im August 1944 (Kopien)
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Darin: Akten der Gestapo-Außenstelle Mainz zur Aktion ‚Gitter' im August 1944 (Kopien)
Herkunft der Unterlagen
Die Kopien sind Teil einer umfangreichen Sammlung von seinerseits kopierten Unterlagen aus der Provenienz der Gestapo-Außenstelle Mainz (unterstellt der Gestapo-Hauptstelle Darmstadt), die im Zusammenhang mit der gegen potentielle Gegner der NS-Herrschaft gerichteten Aktion ‚Gitter' und ‚Dom 23' durchgeführten Verhaftungsaktion Ende August/September 1944 - nach dem gescheiterten Attentat vom 20.7.1944 - stehen. Die Unterlagen wurden von Herrn Heinz Leiwig nach dessen Mitteilung vom September 2003 auf persönlichem Wege erworben: Nach dem Abfassen eines Artikels über die Aktion habe sich vor etlichen Jahren der Sohn eines der namentlich genannten Gestapo-Beamten bei ihm gemeldet und ihm Aktenstücke der Aktion überlassen, die der betreffende Beamte bei einer Aktenvernichtung vor Kriegsende beiseite geschafft bzw. an sich genommen hätte. Auf diesem Wege haben sich bislang unbekannte Unterlagen auch über die in Worms bei vormaligen Sozialdemokraten und Kommunisten vorgenommenen Verhaftungen und KZ-Einweisungen erhalten.
Es wurden im Oktober 2003 durch den Leiter des Stadtarchivs die Unterlagen gesichtet und die Worms betreffenden Unterlagen für die Zeitgeschichtliche Sammlung des Stadtarchivs kopiert. Eine Zusammenstellung der Namen der Betroffenen findet sich unten.
Zum Ablauf der Aktion
Der Befehl zur Verhaftung der unter 70jährigen vormaligen Reichs-, Landtags- und Stadtratsmitglieder der Zeit vor 1933 von SPD, KPD und Zentrumspartei sowie vormaliger Partei- und Gewerkschaftssekretäre erging von der Hauptstelle der Gestapo Darmstadt nach Mainz am 18.8.1944. Sofort danach begannen die Beamten der Gestapo, die Namenslisten aufgrund vorliegender Akten und Karteien zusammenzustellen. Bis 21.8.1944 war Bericht über die Namen der zu Verhaftenden nach Darmstadt zu erstatten. Geplant war ursprünglich, die Verhafteten in das KZ Buchenwald zu verbringen. Im Bereich der Außendienststelle Mainz wurden am 23.8. befehlsgemäß 44 Verhaftungen durchgeführt. Aus Worms stammten dabei
Ludwig Bardorf, Hermann Ibkendanz, August Kerth, Otto Kurzmann, Albert Rosar, Johann Saxer, Friedrich Schmitt, Karl Schwind, Heinrich Habermehl, Rudolf Daum, Johann Hagelauer, Ernst Stahl
Parallel dazu begann die unter dem Tarnnamen gestartete Aktion gegen die vormaligen Zentrumspolitiker (‚Dom 23'), für die die Verhaftungen am selben Tag, dem 23.8., durchgeführt wurden. Aus Worms wurde dabei Andreas Roppelt verhaftet, den man in das Polizeigefängnis verbrachte. Die vormaligen Zentrumspolitiker kamen bald darauf wieder in Freiheit. Die Verhaftungen gingen mit einer Beurteilung der politischen Einstellung bzw. ‚Zuverlässigkeit' einher, die in den erhaltenen Akten auffindbar sind.
Ergänzt werden die aus 1944 stammenden Akten durch ein Dossier über das Personal der Außendiensstellen, das nach 1945 angefertigt wurde. Für die Wormser Gestapo-Stelle finden sich hier die Namen: Johann Johannes (Kriminalobersekretär, 1933 bis Sommer 1940 Leiter der Außendienststelle, dann nach Aachen versetzt); Ludwig Flath (Kriminalobersekretär);: Willy Hemer (Kriminalangestellter); Oskar Beuke (Hauptwachtmeister Schutzpolizei, im Krieg gefallen); Rudolf Hroneck (Hauptwachtmeister Schutzpolizei), Christian Petri (Kriminalassistent); Heerwagen (Kriminalangestellter); Lehmkühler (Krim.kommissar); Leo Brahner (Krim.sekretär); Hermann Essinger (Gendarmeriehauptwachtmeister); Karl Laumann (Polizeiobersekretär); Friedrich Köhler (Polizeisekretär)
(der Überblick beruht auf einer Ausarbeitung von Heinz Leiwig xxxx)
Betroffene Personen (Zusammenfassung der jeweiligen personenbezogenen Informationen)
verhaftet:
Ludwig Bardorf 22.9.1888, SPD-Vors., Gew.sekr., ab 1911 SPD-Mitglied, nach 1933 nicht mehr in Erscheinung getreten, zwei Schwiegersöhne b. d. Wehrmacht; Beurteilung KL: nicht zu beanstanden,
Hermann Ibkendanz 4.2.1890, Stadtratsmitglied, SPD-Mitglied seit 1932, nach 1933 nicht mehr in Erscheinung getreten, Sohn b.d. Wehrmacht (Kontrolleur Dingler & Karcher); Beurteilung KL: nichts nachteiliges bekannt, charakterlich und beruflich gut, polit. Zuverlässigkeit kann nicht abgesprochen werden, keine Einwände gegen Entlassung (1.9.1944)
August Kerth 26.5.1886, Stadtratsmitglied, seit 1919 SPD-Mitglied, Vors. des Tabakarbeiterverbande OG Worms, nach 1933 nicht mehr in Erscheinung getreten, Sohn b.d. Wehrmacht
Otto Kurzmann 26.11.1882, Gewerkschaftssekretär; seit 1918 SPD-Mitglied, nach 1933 nicht mehr in Erscheinung getreten, einziger Sohn 1943 gefallen (Maschinenarbeiter Fa. Müller), Ehefrau bedarf seiner Hilfe; Beurteilung KL: nichts Nachteiliges seit 1933, polit. Zuverlässigkeit kann nicht abgesprochen werden, keine Einwände gegen Entlassung
Albert Rosar 29.7.1884, Reichsbannerführer Hessen (z. Zt. selbständiger Steuerhelfer), Technischer Gauführer des Reichsbanners bis 1933, SPD-Mitglied seit ca. 1923, seit 1933 politisch nicht mehr in Erscheinung getreten, Sohn verwundet, Tochter RAD (beide Kinder sind Pg's), Beurteilung KL: aufgrund bisheriger Führung nach Machtübernahme wurde er am 13.9.1944 wieder entlassen, keine Bedenken gegen weitere Betätigung als Steuerberater Schreiben Reichskammer der Steuerberater, Bezirksbeauftragter Rheinhessen (Bitte um Mitteilung über Verhaftungsgrund ‚im Interesse der Reinerhaltung unseres Berufes' an Gestapo) vom 19.9.1944
Johann Saxer 17.7.1890, Stadtratsmitglied (Lagerverwalter beim Gemeinschaftswerk Worms, frühere Konsumgenossenschaft), SPD-Mitglied seit 1911, zwei Söhne bei der Wehrmacht (einer vermisst, anderer hat ein Auge verloren), Beurteilung KL: nach 1933 nicht als Gegner des neuen Staates aufgetreten, ‚kann nicht als Staatsfeind bezeichnet werden, da er seine beiden Söhne der Bewegung nicht ferngehalten hat', bester Ruf als zuverlässiger Arbeiter, keine Einwände gegen seine Entlassung
Friedrich Schmitt 14.12.1900, Stadtratsmitglied, seit 1928 SPD-Mitglied, nach 1933 nicht mehr politisch in Erscheinung getreten, Sohn Wehrmachtsangehöriger (Obermonteur bei der Rheinelektra); Beurteilung KL: polit. Verhalten nach 1933 gut, nicht als politisch unzuverlässig zu bezeichnen; besonders gutes berufliches Zeugnis (Schreiben Rheinelektra wegen dringend erbetener Freigabe betr. kriegswichtige Arbeiten; Entlassungschein KZ Dachau 13.9.1944
Karl Schwind (Heppenheim/Wiese) 1.12.1882, Kreistagsmitglied; SPD-Mitglied seit 1923, nach 1933 nicht mehr politisch in Erscheinung getreten, ein Sohn in Gefangenschaft der andere an der Front
Paul Ehrentraut 12.9.1879, Stadtratsmitglied; seit 1910 Mitglied der SPD; 70% arbeitsunfähig (Invalidenrentner)
Johanna Günther geb. Beißwenger 2.2.1890, SPD-Mitglied in erster Ehe (!, seit 1926), bis 1933 Stadtratsmitglied, 2. Ehe 1933 geschlossen (Ehemann (Otto, wohnh. Am Ziegelofen 6) gehört keiner polit. Vereinigung an)
Justus Cronenbold 27.3.1897, Stadtratsmitglied ("Redner und geistiger Führer, sehr aktiv')
Heinrich Habermehl, 2.9.1896, Stadtratsmitglied (Arbeiter in e. Brauerei); Mitglied KPD März 1921 bis Anfang 1932, Mitglied des RFB und der Antifa, trat nach 1933 nicht mehr in Erscheinung, Sohn bei der Wehrmacht; Beurteilung KL: Verhalten nach 1933 ‚undurchsichtig'; ‚In politischer Hinsicht muß er noch unter Bewährung gestellt werden, da bei ihm Vorsicht am Platz ist'
Rudolf Daum 19.5.1881, Stadtratsmitglied, KPD-Mitglied, seit 1933 politisch nicht mehr in Erscheinung getreten, zwei Söhne gefallen, ein weiterer an der Front (Beruf Rohleger); Beurteilung KL: ruhig und fleißig, ‚als politisch unzuverlässig nicht zu bezeichnen', keine Einwände gegen Entlassungen (1.9.1944, Entlassungsschein 13.9.1944, KZ Dachau)
Johann Hagelauer 15.11.1890, Kreistagsmitglied (Arbeiter Deltawerke); Mitglied KPD 1927-1932, 1932 wegen politischer Gegensätze ausgeschlossen, trat nach 1933 nicht mehr in Erscheinung
Ernst Stahl 30.7.1896, Vors. KPD (Maschinist bei D&R); Mitglied KPD und Vors. der OG Worms, trat nach 1933 politisch nicht mehr in Erscheinung; Beurteilung KL: polit. Verhalten einwandfrei, Betriebsobmann: in politischer Hinsicht Verhalten als gut zu bezeichnen, fleißig und strebsam,
Georg Meng 27.8.1894, Führer im ??
Wilhelm Schlappner 17.2.1894, 1. Vors. der IAH
Karl Müller 18.5.1878, Vorstandmitgl. KPD
lt. Schreiben v. 22.8.1944 wurden in Worms sieben ehem. KDP-Mitglieder und 11 der SPD verhaftet
bei der Wehrmacht oder verzogen: Karl Heyl, Heinrich Kölsch ("vermisst infolge Terrorangriff"), Jakob Helfrich, Anton Behr
wegen Krankheit keine Verhaftung möglich: Ludwig Blumenschein; Elisabeth Hagelauer (ist seit 14 Jahren an Rückenmarkschwindsucht erkrankt und nicht transportfähig); Friedrich Herold
"Die Aktion verlief reibungslos. Durchsuchungen waren alle ohne Ergebnis", 18 Häftlinge nach Mainz verbracht
Aktion gegen Zentrumspolitiker
Schreiben 23.8.1944: sieben ehem. Zentrumsangehörige im Stadtrat, zwei gestorben, einer über 70, einer verzogen
festgenommen:
Andreas Roppelt, geb. 4.8.1890, Angestellter der Stadt Worms, war gleichzeitig Gewerkschaftssekretär für Lederarbeiter
Adam Schmitt, geb. 11.6.1898, Laborant
(Durchsuchung bei beiden war ergebnislos)
Hermann Keller, Fabrikant, 24.3.1883; Stadtratsmitglied an führender Stelle, z Zt. zur Erholung in Wildbad, Verhaftung noch zu veranlassen
Magdalene Spielmann, 22.4.1885, Lehrerin, Stadtratsmitglied, 13.5.1936 nach Mainz verzogen
Adam Winkler, 8.5.1868, Geometer, Beigeordneter, jetziger Aufenthaltsort unbekannt
(Häftlinge Roppelt und Schmitt wurden in das Polizeigefängnis Mainz eingeliefert)
Auswertung der Akten 31.10.2003