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Sammlung Nationalkomitee "Freies Deutschland" und Bund
Deutscher Offiziere (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Das Nationalkomitee Freies Deutschland wurde am 12./13. Juli 1943 von kriegsgefangenen Wehrmachtsoldaten und Mitgliedern der Exil-KPD gegründet. Am 11./12. September 1943 konstituierte sich der Bund Deutscher Offiziere, der sich unter Wahrung Beibehaltung einer gewissen eigenständigen Organisation, sogleich dem NKFD anschloss.
Die Gründung und Wirken von NKFD und BDO erfolgten vor allem im Kriegsgefangenenlager 27, dem ein kleines Sonderlager (genannt Lunjowo, Lunevo oder Lunewo, von russ. Ëóí¸âî) angegliedert war.
Präsident des NKFD war der kommunistische Schriftsteller Erich Weinert, ihm zur Seite standen die fünf Vizepräsidenten General der Artillerie Walther von Seydlitz-Kurzbach, Generalleutnant Alexander Edler von Daniels, Major Karl Hetz, Leutnant Heinrich Graf von Einsiedel und der Soldat Max Emendörfer.
Die Gründung des späteren NKFD war in der sowjetischen Führung bereits im Frühjahr 1942 diskutiert worden und erhielt nach der Auflösung der Kommunistischen Internationalen (Komintern) im Mai 1943 an Bedeutung. Ideengeber war der sowjetische ZK-Sekretär Dmitrij Manuil'skij, der zusammen mit dem ehemaligen Generalsekretär der zuvor aufgelösten Komintern, Georgi Dimitrov, hinter den Kulissen als Organisator gegenüber den Vertretern der Exil-KPD agierte.
Seine ersten Mitglieder rekrutierte das NKFD aus kommunistischen Emigranten und antifaschistisch eingestellten Kriegsgefangenen. Nicht zuletzt diese kommunistische Dominanz des Komitees erschwerte die Akzeptanz unter den deutschen Kriegsgefangenen, insbesondere den darunter befindlichen Offizieren und Generälen, dem NKFD beizutreten. Infolge der Auseinandersetzung mit den Zielen des NKFD fand sich noch im Juli 1943 im Lager 27 eine Gruppe zusammen mit dem Ziel, einen Offizierbund zu gründen. Die Niederlage von Stalingrad ebnete den Weg für viele Offiziere, sich im BDO / NKFD zu engagieren. National-konservative Elemente und historische Rekurse (z.B. Konvention von Tauroggen 1812) in Manifesten und Propaganda trugen dazu bei, ethische und politische Vorbehalte unter Wehrmachtoffizieren, sich dem Komitee anzuschließen, zu verringern.
Das NKFD entfaltete eine umfangreiche Propaganda. Von Juli 1943 bis November 1945 erschien wöchentlich die Zeitung „Freies Deutschland", in welcher die Kriegsereignisse kommentiert sowie die Appelle des Nationalkomitees und Verlautbarungen der Alliierten abgedruckt wurden. Aus Kostengründen unterblieb die massenhafte Verbreitung, sodass der wichtigste Adressaten- und Leserkreis Aktivisten und Komiteeangehörige in den Kriegsgefangenenlagern waren. In großer Zahl stellte das NKFD Flugblätter her, deren Inhalte sowohl zentral als auch von den sogenannten Frontbevollmächtigten vor Ort hergestellt wurden. Über Lautsprecher wurde an einzelnen Frontabschnitten auch akustisch versucht, auf den unmittelbaren Frontbereich einzuwirken. Schließlich betrieb das NKFD von Moskau aus den Radiosender „Freies Deutschland", der auch in Deutschland empfangen werden konnte.
Die Propagandaaktivitäten des NKFD wurden nicht von den Kriegsgefangenen im Lager Lunevo geleitet, sondern von den zivilen Angehörigen des sogenannten Stadtkomitees. Dieses war Bestandteil des „wissenschaftlichen Instituts Nr. 99", das zusammen mit zwei weiteren „Instituten" nach Auflösung der Komintern entstanden war, um deren Apparat im Verborgenen weiterarbeiten zu lassen. Über das „Institut 99" waren NKFD und BDO in die sowjetische Propaganda an der Front und in den Kriegsgefangenenlagern, ihr gesamtes Wirken fest in die institutionellen Strukturen des ZK der KPdSU eingebunden. Vor allem die Frontpropaganda blieb immer in der alleinigen Verfügungsgewalt der Roten Armee, deren Politische Hauptverwaltung das Informationsmonopol innehielt.
Zur Stärke der Frontorganisation des NKFD liegen unterschiedliche Angaben vor und wird in einzelnen Quellen mit bis zu 2.000 Mann gegen Kriegsende 1944/45 beziffert. Mit Fortgang des Krieges wurden zunehmend Aktionen durchgeführt, bei denen Kriegsgefangene in deutschen Uniformen und mit gefälschten Papieren ausgestattet, hinter den deutschen Linien Propagandamaterial verbreiteten und sich zudem an bewaffneten Aufklärungs- und Sabotageeinsätzen beteiligten.
Bis zum März 1944 entwickelte der BDO eine relativ eigenständige Politik, die vor allem von dem persönlichen Einsatz der Generäle Seydlitz, Korfes und Lattmann getragen war. In persönlichen Briefen an die deutschen Oberbefehlshaber an der Ostfront sowie in Gesprächen mit anderen deutschen kriegsgefangenen Offizieren und Generälen versuchte Seydlitz vergeblich, zum aktiven handeln gegen das NS-Regime zu mobilisieren. Die Idee, eine deutsche Befreiungsarmee aus kriegsgefangenen Wehrmachtsoldaten aufzustellen, wurde von der sowjetischen Führung bereits im Keim erstickt.
Als die sowjetische Führung zur Jahresende 1944 deutlich macht, dass sie sich bei ihrer Deutschlandpolitik zukünftig allein der KPD bedienen würde, werden die Vertreter des BDO quasi kaltgestellt, wohingegen der zivile Teil des NKFD darauf vorbereitet wird, größtenteils in der „Gruppe Ulbricht" nach Deutschland zurückzukehren. Bis zu seiner nominellen Selbstauflösung am 2. November 1945 hat das NKFD keine Bedeutung mehr.
Ächtung, gerichtliche Verfolgung sowie die Gefährdung der in Deutschland befindlichen Familienangehörigen durch Sippenhaft bedrohten diejenigen, die sich NKFD / BDO engagierten. Bis in die Gegenwart ist das Nationalkomitee umstritten: In der früheren DDR wurde es als beispielhafter Versuch antifaschistischen Widerstandes unter Führung der KPD gefeiert. In der Bundesrepublik wertete man lange Zeit das NKFD als einen gelungenen Schachzug sowjetischer Propaganda und es bedurfte erst der Überwindung der Deutschen Teilung und dem Ende des Kalten Krieges, die Bedeutung von NKFD und BDO im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu diskutieren.
Hinweise auf andere Bestände
Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, Freiburg
DVW 20 Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Offiziere
MSg 216 Thematische Sammlung zur Betrachtung der Militärgeschichte in der NVA
N 55 Walther von Seydlitz-Kurzbach
N 395 Alexander Edler von Daniels (1891-1960)
N 372 Friedrich Paulus (1890-1957)
BW 2/31135-31136
Bundesarchiv, SAPMO, Berlin
NY 4182 Walter Ulbricht (1893-1973)
NY 4232 Charlotte Bischoff (1901-1994)
NY 4556 Gustav Siemon (1918)
NY 4036 Wilhelm Pieck
DY 30 Abteilung Propaganda im ZK der SED ( DY 30/IV A 2/9.03/37 )
DY 30 Abteilung für Sicherheitsfragen im ZK der SED ( DY 30/IV 2/12/7 )
SgY 19 Biographische und dokumentarische Sammlung ( SgY 19/46 )
SgY 30 Erinnerungen:
SgY 30/1291/3 Ackermann, Anton ( 25. Dez. 1905-4. Mai 1973 )
SgY 30/1291/4 Ackermann Anton ( 25. Dez. 1905-4. Mai 1973 )
SgY 12 Nationalkomitee "Freies Deutschland" in der UdSSR
Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft:
1972 Korrespondenz des Sekretariats für Kultur mit Vertretern der SGDDR, mit Institutionen und Privatpersonen
DY 16 National-Demokratische Partei Deutschlands
DY 16/420 Sitzungen 1988
DY 16/3350 Artikel- und Redemanuskripte zu verschiedenen Anlässen
DY 16/2649 Redemanuskripte zu verschiedenen Anlässen
DY 16/2650 Redemanuskripte zu verschiedenen Anlässen
DY 16/3353 Redemanuskripte zu verschiedenen Anlässen
DY 16/3362 Stellungnahmen und Kommentare
DY 16/5186 Öffentlichkeitsarbeit zu politischen und historischen Gedenktagen
DY 16/2294 40. Jahrestag der NDPD
DY 16/5036 Verschiedene Ereignisse und Jahrestage
DY 30 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
DY 30/ 5296 Beschlussauszüge aus den Sitzungs- und Umlaufprotokollen des Sekretariats des ZK der SED (dabei: nicht behandelte Vorlagen, Leseinformationen)
DY 30 /5304
Bundesarchiv, Abteilung DDR, Berlin
N 2152 Otto Korfes (1889-1964)
Stadtarchiv Weimar
Teilnachlass 1 Luitpold Steidle (1898-1984)
Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin
Teilnachlass 1 Erich Weinert (1890-1953)
Archive im Ausland
NKFD Museum (Memorialmuseum Deutscher Antifaschisten), ul. Narodnogo Opoltschenija 15, 143400 Krasnogorsk, Rußland
Zitierweise: BArch MSG 221/...
208 Aufbewahrungseinheiten
Bestand
deutsch
Literatur: Heinrich Graf von Einsiedel: Tagebuch der Versuchung, Frankfurt a.M. 1985.
Karl-Heinz Frieser: Krieg hinter Stacheldraht. Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion und das Nationalkomitee „Freies Deutschland", Mainz 1981.
Jörg Morré: Hinter den Kulissen des Nationalkomitees. Das Institut 99 in Moskau und die Deutschlandpolitik der UdSSR 1943-1946, München 2001 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; 82).
Birgit Petrick: „Freies Deutschland" - die Zeitung des Nationalkomitees „Freies Deutschland" (1943-1945). Eine kommunikationswissenschaftliche Untersuchung, München u.a. 1979 (Kommunikation und Politik; 12).
Jesco von Puttkammer: Irrtum und Schuld. Geschichte des Nationalkomitees „Freies Deutschland", Neuwied, Berlin 1948.
Bodo Scheurig: Verräter oder Patrioten. Das Nationalkomitee „Freies Deutschland" und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943-1945, München 1960.
Walther von Seydlitz: Stalingrad. Konflikt und Konsequenz. Erinnerungen, Oldenburg 1977.
Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Das Nationalkomitee „Freies Deutschland und der Bund Deutscher Offiziere, Frankfurt a.M. 1995.
Warth, Julia: Verräter oder Widerstandskämpfer? Wehrmachtgeneral Walther von Seydlitz-Kurzbach, München 2006.
Erich Weinert: das Nationalkomitee „Freies Deutschland", Berlin (Ost) 1957.
Willy Wolff: An der Seite der Roten Armee. Zum Wirken des Nationalkomitees „Freies Deutschland" an der sowjetisch-deutschen Front 1943 bis 1945, Berlin (Ost) 1973.