Im Jahre 1710, in der 3. Indiktion oder Römerzinszahl, bei Regierung Kaiser Josephs I. , am Sonntag 4. Mai, wurde der unterzeichnete Notar von Heilbronn nach Oberstenfeld berufen und meldete sich noch vormittags bei den Abgesandten von Seiten Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg, nämlich Friedrich Gottlieb, Freiherrn von Löwenstern, Oberrat und Hofgerichtsassessor, auch Rat und Hofmeister der jüngeren verwitweten Herzogin von Württemberg, Dr. jur. utr. Burkhard Bardili, Ober- und Justizrat, Dr. jur. utr. Stephan Christoph Harpprecht, Ober- und Justizrat und Kammerprokurator, von Seiten der Freien Reichsritterschaft, Orts am Kocher, Evangelischen Anteils, Alexander Maximilian von Wöllwarth auf Hohenroda, Essingen und Lauterburg, kaiserlicher und Ritterrat und Ausschuß. Paul von Burckmeister, Konsulent der Ritterschaft in Schwaben, Orts am Kocher. Nach der Mittagsmahlzeit wurde der Notar von Baron von Löwenstern im Namen aller Deputierten unter zwei dazu erbetenen Zeugen, nämlich Johann Georg Jung und Hans Jörg Ludwig, beide Einwohner zu Oberstenfeld, in die zwei Stock hoch, links liegende Stube gebeten und ihm Folgendes eröffnet: Nachdem sich die bisherigen Chorfräulein von Oberstenfeld geraume Zeit her nicht so aufgeführt, so daß sowohl der Herzog von Württemberg als auch die Reichsritterschaft als Adocatus, Schutz- und Schirmherrn bzw. Obervorsteher des Stifts nicht zufrieden sein und dies nicht länger dulden konnten und zur Abwendung übler Nachrede, der Schande des evangelischen Wesens und zur Abwendung der Zerrüttung des Stifts eine Untersuchung des Lebenswandels, der Sitten und der Haushaltung des Stifts und nach gründlicher Prüfung auf die Entfernung der jetzigen Chorfräulein und eine Reformation des Stifts erkennen mußten, was soeben von der Kommission ins Werk gesetzt wurde und das Stift mit einer neuen Äbtissin, Konvent und neuen Statuten versehen, die alten Konventualinnen aber abschaffen werde. Der Notar wurde dazu erbeten, um über den gesamten Vorgang ein Instrument anzufertigen. Weil Fräulein von Schnellenberg und Fräulein von Breitenbach, von denen sowohl der Oberratssekretär Schäffer, wie auch der Pfarrer von Oberstenfeld einiges, das in das Stift gehört, verlangt, aber nicht erhalten haben, wurde der Notar mit den genannten Zeugen, Sekretär Schäffer und Pfarrer zu Oberstenfeld nochmals zu den Fräulein geschickt, um sie zu befragen, ob sie noch etwas besitzen, das dem Stift zusteht, oder ob sie außenstehenden Personen Urkunden, Akten oder sonst etwas übergeben hätten. Diesem Auftrag kam der Notar nach, begab sich mit den genannten Personen in die Konventsstube, wo er in einer daneben liegenden Kammer Fräulein Schnellenberg auf einem Stuhl sitzend vorfand. Auf Befragen erklärte sie, daß sie nichts dergleichen habe, was vom Notar aufgenommen wurde. Da mit den beiden Fräulein, so lange sie unverheiratet bleiben, eine bestimmte Pension vereinbart wurde, war von ihnen ein entsprechender Revers zu unterschreiben, der ihnen von Sekretär Schäffer vorgelesen wurde. Sie weigerten sich aber, diesen zu unterschreiben. Dies wurde der Kommission hinterbracht, worauf aus dem Revers die Formulierung, daß sie ¿freiwillig¿ ausschieden, gestrichen wurde. Dennoch war die Unterschrift nicht zu erlangen, worauf ihnen bedeutet wurde, daß man ihnen dann auch keine Pension geben könne, sagte ihnen aber die Kutsche zu, mit der sie nach Heilbronn befördert werden konnten, wohin sie selbst verlangten. Am 5. Mai, morgens 9 Uhr, wurde die Kutsche mit 6 Pferden angespannt und dadurch das Stift vollends geleert und von der Kommission wegen der neuen Besetzung und der Reformation des Stifts den ganzen Tag über beratschlagt. Am 6. Mai 1710 wurde der Notar nochmals für die Erwählung und Einsetzung einer neuen Äbtissin und neuer Chorjungfrauen erfordert, um diesen mit zwei Zeugen beizuwohnen, um darüber das eine oder andere Instrument anzufertigen. Im Beisein der beiden Zeugen, nämlich Johann Leonhard Nesper, Einwohner zu Oberstenfeld, und Lukas Sauter, ritterschaftlichem Postillion, begab sich der Notar ins Stift, wo am 6. Mai, morgens 5 Uhr, die württembergische Kutsche mit 6 Pferden bespannt nach [Groß-]Bottwar geschickt wurde, um dort Fräulein Antonia Johanna Friederike von Bouwinghausen und Walmerode abzuholen, die gegen 7 Uhr im Stift ankam und in dem sogenannten Schnellenbergischen Haus abstieg, wo sie sich aufhielt, bis das Zeichen zur Betstunde gegeben wurde. Hierauf begab sie sich mit Fräulein Magdalena Elisabetha von Wöllwarth auf Hohenroda in die Betstunde im Stand der Stiftsjungfrauen und die Deputierten beider Seiten folgten alsbald in die Kirche und nahmen Platz im Stand neben den Fräulein, Notar und Zeugen aber begaben sich unfern des Altars, um alles genau beaobachten zu können. Hierauf sang man ¿Es wolle Gott uns gnädig sein¿ und Pfarrer M. Seeger von Gronau hielt die Betstunde, wobei er die bevorstehende Äbtissinnenwahl in das Gebet einschloß. Nach Schluß des Gebets begaben sich die Deputierten in die Konventsstube, in der zwei ovale Tische standen, wobei die Deputierten an dem zur rechten Seite Platz nahmen. Baron von Löwenstern wollte nun zur Wahl der neuen Chorjungfrauen und der Äbtissin schreiten und ließ deshalb durch Sekretär Schäffer die Fräulein und ihre Beistände in die Konventsstube bitten, nämlich das Fräulein von Bouwinghausen mit ihrem Beistand Oberst von Warttmann und das Fräulein von Wöllwarth mit ihrem bereits anwesenden Bruder und Maria Elisabeth von Weiler auf Maienfels mit ihrem Vater Dietrich von Weiler auf Maienfels. Diese nahme an dem zweiten Tisch Platz und Baron von Löwenstein eröffnete ihnen, daß die Fräulein von Bouwinghausen und Wöllwarth als Chorjungfrauen zusammen mit dem nicht anwesenden Fräulein von Hallweil erwählt worden seien, wofür die Kommission sie von den Probejahren dispensiert habe. Von Sekretär Schäffer wurden hierauf die neuen Statuten verlesen. Baron von Löwenstern befragte hierauf die beiden Chorjungfrauen, ob sie bereit seien, diese Statuten zu beschwören, worauf Fräulein von Bouwinghausen zugleich im Namen des Fräuleins von Wöllwarth bejahend antwortete. Hierauf wurde ihnen von Konsulent von Burckmeister vorgelesen und von den beiden, da Fräulein von Weiler erst in die Probejahre gehen wollte, mit der rechten Hand auf der linken Brust nachgesprochen: Ich, neu angenommene Chorjungfrau dises frey adelichen Stiffts versprech und gelobe bey Gott dem Allmächtigen, die Zeit meines Lebens mich eines reinen, züchtigen und keuschen, gottseeligen Wandels zu befleißigen und so lang ich in disem Stifft verharren werde, der Frau Abtissin und dero Amts-Nachkommen gehorsamb zu seyn, denen Statutis und Ordnungen zu unterwerffen, alß wahr mit Gott helf, alles getreulich und ohne Gefährde. Hierauf traten die Fräulein mit ihren Beiständen ab, worauf die Deputierten über die Wahl der Äbtissin berieten. Fräulein von Bouwinghausen mit ihrem Beistand wurde hereingerufen und befragt, wem sie bei einer Wahl ihre Stimme geben würde. Sie antwortete, daß sie, da sie die älteste sei, sich selber geben würde. Fräulein von Wöllwarth erklärte sich auf Befragen ebenfalls für Fräulein von Bouwinghausen, ebenso hatte sich die nicht anwesende Fräulein von Hallweil noch am selben Morgen schriftlich erklärt. Die nunmehr erwählte Äbtissin wurde hereingerufen und ihr gratuliert. Damit alles der Ordnung nach verlaufe und so auf die Nachwelt gebracht werde ging man hierauf in die Kirche und zwar in folgender Ordnung: zuerst Prälat Johann Sigmund Hochstetter von Anhausen, dann vier Geistliche, nämlich Pfarrer M. Flattich von Oberstenfeld, M. Göbel von Mundelsheim, M. Moser von Eberstadt und M. Seeger von Gronau, dann die Probierjungfrau Fräulein von Weiler mit ihrem Vater als Beistand, dann Fräulein von Wöllwarth mit Oberst von Warttmann, sodann die neu erwählte Äbtissin zwischen den beiden Deputierten, Baron von Löwenstern auf der rechten und Herr von Wöllwarth auf der linken Seite, welchen die übrigen Kommissare folgten, ferner die eingeladenen Gäste, die geistlichen und weltlichen Stiftsoffizianten, der Sekretär und die übrigen Bedienten, die die Äbtissin bis in ihren Stuhl begleiteten. Als man in die Kirche kam, wurde ein wenig auf der Orgel musiziert und dann mit dem Choral ¿Herr Jesu Christ dich zu uns wend¿ angefangen. Der Stiftspfarrer hielt über 1. Kor. 14, 33 eine wohlgefaßte Predigt. Etwa um 12 Uhr erschien Prälat Hochstetter vor dem Altar zusammen mit den genannten vier Geistlichen in weißen Chorhemden. Die Äbtissin mit den Chor- und Probierjungfrauen und den Kommissaren erschienen vor dem Altar, während das Lied ¿Nun bitten wir den heiligen Geist¿ gesungen wurde. Die Äbtissin mit den beiden Herren trat in die zur rechten Seite des Altars stehenden Kirchenstühle, die Chor- und Probierjungfrauen und fremde Kavaliere wurden aber hinter die Äbtissin gestellt. Während dies vorging hielt der Prälat eine kleine Rede an das Volk und verlas den Befehl, durch den er die Ermächtigung erhalten hatte, die Einsegnung vorzunehmen und sprach ein Gebet für die einzusegnende Äbtissin. Hierauf wurde ein Vaterunser gebetet, die Äbtissin kniete nieder und beschwor den Eid, der ihr von Konsulent Burckmeister vorgelesen wurde: Ihr, die erwehlte Abtissin deß frey Adelichen Stiffts Oberstenfeld sollet geloben und schwören, dem durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Eberhard Ludwigen, Herzogen zu Württemberg und Teckh, Graffen zu Mömpelgard, Herrn zu Heydenheimb etc., dem gnädigsten Fürsten und Herrn, so dann denen Hochwohlgebohrnen Herrn, Herrn Directori und Räthen der Löbl. Freyen ReichsRitterschaft in Schwaben, Orths am Kocher, Evanglischen Antheyls, als Ewres Stifts Schutz- und Schirmherrn, auch Obervorsteheren, wie auch derselben Regiments- und AmtsNachfolgern, im Nahmen und wegen besagt Ewers Stiffts denselben in allen billich- redlichen Dingen unterthänig und gewärttig zu seyn, auch nicht zu helffen oder zu rathen, daß dieselbe an Ihrem Leib oder Guthern, geschmählert werden und daß Ihr der Bottschafft, so offt dieselbe zu Euch gesendet wird, gütlich empfangen, halten und laßen wollet, daß Ihr auch Ewrem anvertrautem Stifft in geist- und weltlichen Sachen ordenlich und in Besserung vorstehen, Eure Mitschwestern Chor- und Prob-Jungfrauen zur Gottesfurcht und ehrbaren, züchtigen Leben anhalten, ziehen undt weißen und keine hinfüro in das Stifft auf- und annnehmen, sie habe dann zuforderist ihr adelich aus der Freyen ReichsRitterschaft in Schwaben und vornehmlich deß Canton Kochers Herkommen der Gebühr und denen darüber aufgerichteten Statuten gemäß erwießen und probirt, daß Ihr auch Eures Stiffts Gebäw, Guther, Rennten und Gefäll, Recht und Gerechtigkeiten, getreulich handhaben, die verwendete so viel möglich widerbringen, davon aber nichts verändern, oder verkauffen, auch in allem Euch, deß Stiffts Ordnung und Reformation gemäß bezeugen, und halten welle, und da über kurtz- oder langem von obgedachten Meinen Herren mit gemeinschafftlichem Rathschluß weiters Ordnung und Satzung gemacht oder das Stifft zu des Reichs Adels in Schwaben Besten anderwerts zu versetzen oder zu verändern gut befunden würde, sollt ihr Euch demselben in allem gleicher Gestalt in schuldigem Gehorsam unterwerffen und daß darüber weder von Euch noch Euren untergebenen Chorjungfrauen gehandelt werde, nicht zugeben, alß wahr Euch Gott helff, alles getreulich und ohne Gefährde. Danach ließ er die Äbtissin die rechte Hand auf das Eangelium legen und ihm nachsprechen: Wie mir vorgelesen ist, und ich mit Wortten bescheiden bin, dasselbigs auch wohl verstanden habe, dem will ich nachkommen, getreulich und ohne Gefährde, also schwere ich, daß mit Gott helff, und das heylige Evangelium. Nach Ablegung des Eides wurde die Einsegnung durch den Prälaten durch Handauflegung und folgende Worte vorgenommen: Dieweil wir im Heyligen Geist versammlet, Gott, unserm Himmlischen Vatter durch Jesum Christum, unsern Herrn, und Heyland über dich angeruffen und gebetten und deßwegen nicht zweiflen, Er werde uns laut seiner Göttlichen Zusagung gnädiglich erhört und gewehret haben. Demnach, so ordne, confirmire und bestättige ich Dich aus göttlichem Befehl und Ordnung zu Einer Abtissin dieses Stiffts hierzugegen, mit ernstlichem Befehl, daß Du solchem ehrlich und ohne alle Ärgernuß mit höchstem Fleiß und Treuen vorstehen wollest, wie du dann vor dem GerichtsStuhl Unsers Herrn Jesu Christi an seinem Tag Red und Antwortt geben mußt, dem gerechten Richter, im Nahmen des Vatters und deß Sohns und deß Heyligen Geistes, Amen. Danach sprach der Prälat den Segen über die Gemeinde und nachdem die Äbtissin aufgestanden war, wurde im Hinausgehen dieselbe Ordnung eingehalten und der Gottesdienst mit dem Lied ¿Allein Gott in der Höh sey Ehr¿ beschlossen. Hierauf ging man in die Konventsstube, wo die Statuten auf den Tisch gelegt und von der Äbtissin und den Chorjungfrauen unterschrieben und besiegelt wurden. Die Stifts-Schlüssel wurden von dem Sekretär Schäffer beigebracht und von Baron Löwenstern der Äbtissin nebst den Vasa sacra übergeben. Das Stiftssiegel war noch nicht fertiggestellt, doch war die Äbtissin jetzt in Weltlichem und Geistlichem eingesetzt. Dieses wurde mit einer Mahlzeit beschlossen, an der die beim Vorgang anwesenden geistlichen und weltlichen Personen teilnahmen. Am folgenden Tag, den 9. Mai, morgens gegen 9 Uhr versammelten sich die Deputierten mit Äbtissin und Chorjungfrauen, und Baron von Löwenstern erinnerte sämtliche Stiftsbedienten, daß sie den gewöhnlichen Eid ablegen und der Äbtissin in die Hand schwören sollen: Ihr sollet schwören und geloben dem durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Eberhard Ludwigen, Hertzogen zu Württemberg und Teckh etc. Sodann einer Hochlöbl. Freyen ReichRitterschaft in Schwaben, Orths am Kocher, Evangelischen Antheils, alß respective Schutz- und SchirmsHerren, auch Obervorsteheren, sodann Ihro Hochwürden der Fraw Äbtissin und Convent des FreyAdelichen Stiffts Oberstenfeld, getreu, gehorsam und gewärthig zu seyn, ihren Nutzen und Besten befördern, allen Schaden zu verhüen, deß Stiffts Ordnungen und Statuen so viel die Euch angehen, in allem behörig nachzuleben, und nicht zu gestatten, daß von andern darwider gelebet werde, oder Ihr in Euren Verrichtungen Euch saumseelig erzeugen, sondern vielmehr dem Euch zukommenden Staat in allem gehorsamlich nachkommen möget, so wahr Euch Gott helff, alles getreulich und ohne Gefährde. Hierauf wurden die Bediensteten entlassen und der Actus beschlossen. Johann Ludwig Kübel Notar von Heilbronn hat dies alles mit den genannten Zeugen selbst angesehen und protokolliert und in vorliegendes Instrument gebracht und auf Pergament ins Reine schreiben lassen, selbst kollationiert und eigenhändig unterschrieben.