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Auseinandersetzung um eine Testamentsbestimmung zugunsten des Ehemanns
Schöffengericht Kerpen >> 1 Zivilsachen >> 1.2 Erb- und Besitzstreitigkeiten
1677 - 1686, 1704
Enthält: In ihrem Testament vom 18.12.1672 schenkte Maria Juckers, die Ehefrau von Johann Brewer, da sie kinderlos ist, ihrem Ehemann "per Donationem Mortis" alle ihre Hinterlassenschaft. Dies sollte als Ausgleich dafür dienen, dass er, als sie noch minderjährig war, mit seiner elterlichen Erbschaft und seinem erworbenen Vermögen, etwa 200 Tlr wert, die auf ihren Erbgütern lastenden Schulden, die sonst unter dem Druck der Gläubiger zwangsversteigert worden wären, bezahlt sowie Bau- und Reparaturkosten bestritten hatte. Sie wiederholte damit ihren bereits vor acht Jahren vor dem Pastor von Kerpen Reiner Reidt und dem Küster Gerhard Jaixen und den Zeuginnen, der Hebamme Agnes und anderen Nachbarsfrauen (Leonardt Schloßers Frau Agnes, Gertrud, der Frau von Hans Adam [Schreiber] und Goerdt Scheurens Frau Sophie) kundgetanen letzten Willen. Am 22.6.1677 (nach dem Tod der Erblasserin) legt Johann Brewer dem Gericht ein Rechtsgutachten ("sentimentum iuris") über diese Testamentbestimmung vor und bittet um gerichtliche Approbation und die Erlaubnis, die Erbschaft antreten zu dürfen. Johann Brewer fürchtet offensichtlich Anfechtungen seitens der Verwandten seiner Frau, denn die testamentarische Schenkung war rechtlich nicht unumstritten. Zum einen waren Frauen als Testamentszeugen nicht zugelassen. Zum andern war eine solche Schenkung unter Eheleuten nach dem Jülicher Recht eigentlich verboten. Und schließlich musste vor der Schenkung eine Übertragung mit Erbung und Verzicht erfolgt sein und ein bereits einjähriger Besitz ("Raumung Jahres unndt Tagß") vorliegen. Der Gutacher legt dar, dass die Schenkung trotz der weiblichen Zeugen formal richtig sei, da in diesem Fall das Testament eher als Kodizill [d. h. nicht die gesamte Erbschaft einschließende Verfügung] und nicht als Testament im eigentlichen Sinn anzusehen sei. Materialrechtlich könne man berücksichtigen, dass Johann Brewer mit dem Einsatz seiner Güter und Vermögen bereits eine Vorleistung gegeben habe und bisher kein Verwandter aufgetreten sei, der bewiesen habe, dass sich unter dem Rest der Hinterlassenschaft der Erblasserin Stock- und Stammgüter befänden, die nicht vererbt werden dürften. Die Schenkung könne also bestätigt und dem Beschenken zugestanden werden. Das Gericht entscheidet gemäß dem Gutachten, erteilt aber eine öffentlich bekanntgemachte Ladung ("per citationem edictalem"), dass sich alle, die meinen, in irgend einer Weise davon betroffen zu sein, innerhalb von sechs Tagen melden sollen. Am 30.6. erscheinen in der Tat Hans, Griet und Else Siegers und Merten Fuchs als Verwandte Maria Juckers und bitten um Mitteilung des Textes der Donation und des Gutachtens, damit sie sich nächstens dazu äußern könnten. Aber bis zum 23.11. ist noch keine Reaktion erfolgt, so dass Breuer auf die Ratifikation und In-Kraft-Setzung der Schenkung dringt. Das Gericht gestattet jedoch noch einmal eine Frist von 14 Tagen. Erst am 16.5.1678 kommt Mattheiß Jucker als nächster Blutsverwandter mit einer Klage ein. Er behauptet, dass mit Haus, Hof und Garten samt zugehöriger Ländereien in Kerpen sehr wohl Stammgüter vorhanden seien, die Johann Brewer alias Kupper bestenfalls zur Leibzucht gebrauchen dürfe. Er wirft ihm vor, dann seinen Pflichten als Leibzüchter, die Stammgüter zu pflegen und nicht zu veräußern, nicht nachgekommen, kein Inventar des Nachlasses erstellt und keine Kaution für die Inanspruchnahme der Leibzucht geleistet (§ 95 der Jülicher Landordnung) und darüber hinaus Stammgüter seiner Ehefrau zu seinem eigenen Bedarf versetzt zu haben. Er fordert daher, diese Stock- und Stammgüter ihm als dem nächsten Blutsverwandten und Erben ab intestato zuzusprechen. Johann Brewer wird der Text der Klage mitgeteilt, und er wird aufgefordert, bis zum nächsten Gerichtstag dazu Stellung zu nehmen. Dies geschieht nicht, und der Kläger verlangt, ihm eine Kontumzialstrafe aufzuerlegen (30.5.). Das Gericht gestattet jedoch Fristverlängerung, und erst dann bringt Brewer eine Antwort vor (14.6.). Er reicht dazu einen Protokollextrakt der Sitzung und des Beschlusses vom 23.11.1677 ein (s. Bl. 9) und beruft sich darauf, dass damals niemand Einspruch erhoben hatte. Dem Kläger wird der Text mitgeteilt und er wird aufgefordert, sich dazu zu äußern. Dieses Verfahren von Einrede, Beschluss zur Kommunikation des Textes, Aufforderung zur Antwort, Kontumazialdrohung, Gegenrede wiederholt sich dreimal: 1) 5.9.1684 - 21.11. - 5.12. / 2) 9.1.1685 - 6.2. - 20.2. (Johann Brewer bittet um Verlängerung, da er in Köln gewesen sei und sein Anwalt anderweitig zu beschäftigt war, um eine Antwort zu verfassen) - 20.3. / 3) 3.4.1685 - 8.5. - 5.6. - 18.9.1685. Da keine der Parteien zum Einlenken bereit ist, beschließt das Gericht die Kollation und Aktenversendung (23.10.). Inzwischen, am 11.12.1684, hatte Johann Brewer mit Ludwig Hellenthal, dessen Frau Sibille Brewers, in Gegenwart von Wilhelm Eßer und dessen Frau Anna Brewers, einen Vergleich getroffen, dass Johann Brewer dem Ehepaar Hellenthal für Miete ("Beywohnung"), Dienstleistungen ("knechtliche Arbeit") und vorgestreckte Gelder einmalig zahlen solle 50 kölnische Gulden, womit alle Forderungen beigelegt seien (unterschrieben von Johann Adolph Schreiber, Schultheiß, dem Schöffen Werner Sieger und dem Gerichtsschreiber Bertram Hillbrandt). Doch zurück zum aktuellen Prozess: Der unparteiische Richter Johann Wilhelm Kley fasst in seinem Gutachten noch einmal die wichtigsten Streitpunkte: die Forderung einer Kaution für die Schenkung, die Eigentumsfrage und die Nutzung als Leibzucht, zusammen. 1. Zwar habe der Beklagte bisher die erforderliche Kaution nicht geleistet oder kein Inventar über die Güter erstellt. Solange die Eigentumsfrage (ob völliger Besitz oder nur Nutznießung) aber nicht geklärt sei, müsse er dies auch nicht tun, sondern könne die Güter weiter ungehindert nutzen. 2. Was die Eigentumsfrage betrifft, könne der Beklagte kraft der Donatio mortis die Güter in Anspruch nehmen, zumal sie ihm mit Gutachten eines Rechtsgelehrten zugeteilt wurden und nach der Ladung der anderen Berechtigten niemand Widerspruch eingelegt oder Anspruch erhoben hätte. Außerdem habe der Kläger bisher nicht bewiesen, dass es Stock- oder Stammgüter seien. Und selbst wenn es solche wären, hätte der Beklagte wegen der darauf stehenden und von ihm getragenen Schulden ein Entschädigungsrecht daraus. Schließlich hätte auch der Kläger seine Verwandtschaft mit der Schenkerin nicht genügend nachgewiesen. Brewer könne also die Güter weiter in Besitz halten - vorausgesetzt es sind keine erwiesenen Stammgüter, die nach der Landesordnung durch Testament nicht verschenkt werden dürfen. Würde der Kläger aber seine Verwandtschaft noch nachweisen, könne der Beklagte nur noch durch Ablegung des Kalumnieneids und Geltendmachung seiner zur Erhaltung und Verbesserung der Güter aufgewendeter Kosten seinen Anspruch aufrecht erhalten. Es folgt der Urteilsvorschlag, den das Gericht übernimmt. Am 3.4.1686 wird der Prozess mit Urteil beendet. Dem Beklagten Johann Brewer wird der Besitz und die Nutzung der von seiner +Ehefrau hinterlassenen Güter bestätigt. Allerdings dürfe er nicht weiter die Besitzansprüche (wohl des Klägers) über die Blutsverwandtschaft ableugnen, sondern solle darüber den Kalumnieneid [d. h. dass er ohne böse Absicht gehandelt hat] leisten, den er bereits am 3.4.1685 versprochen hatte abzulegen, bei Strafe der inzwischen entstandenen Unkosten. Falls er sich weigere, solle er die inzwischen zur Unterhaltung und Verbesserung der Güter aufgewendeten Kosten darlegen und nachweisen.