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NZfM 15 (Nr. 15, 20.8.1841), S. 58–60. „Unsere musikalischen Verhältnisse gehen den gewohnten Gang. Die Oper giebt neben neuen Werken nicht selten Wiederholungen älterer classischer, was dankbar anerkannt werden muß. In den Zwischenakten der Theatervorstellungen haben wir öfter Gelegenheit, fremde Virtuosen zu hören, die unser, in einem fast immer gleichen Kreise sich bewegendes Leben, wohlthätig anregen. [...] Chelard's Oper erregte große Erwartungen. Der Componist selbst erklärte sie für sein größstes Werk, und außerordentliche Vorbereitungen waren dazu gemacht worden. Sein größstes Werk ist sie nun allerdings, sowohl dem Umfange nach, als der Masse der aufgewendeten Mittel; auch tritt überall der Fleiß, die Anstrengung möchten wir sagen, etwas ganz Außerordentliches zu geben, unverkennbar hervor. Nun sei es ferne von uns, nach zweimaligem Anhören (mehr ist die Oper nicht gegeben worden), ohne Einsicht der Partitur, über das Besondere eines so groß angelegten Werkes, für oder wider, absprechen zu wollen. [...] Wir wollen hier nicht über den Werth des Musikstückes an sich reden. Aber die Auffassung ist kalt, und das Ganze deshalb wirkungslos. Wo ist hier ein Ton für die Gefühle, die den Deutschen so geheimnißvoll im Rauschen seiner Wälder ergreifen? wo ein Ton für den ahnungsreichen Zug, der in der Natur so gern die Fäden nach dem Unendlichen anknüpft? wo ist ein Ausdruck für das Grauenvoll-Erhabene einer solchen Geistererscheinung? Ja, wo ist überhaupt der Ton, der vom Herzen kommt und zum Herzen geht, der diese Scene, die übrigens jedenfalls gekürzt werden müßte, zu einer sehr schönen, ergreifenden machen konnte? Jene Kälte und geringe Begeisterung spricht sich aber beinahe in der ganzen deutschen Partie der Oper aus. Schon darin zeigt sie sich, daß der Komponist geglaubt hat, um die alten Deutschen zu charakterisiren, ältere Kunstformen annehmen zu müssen. Lebendige Charakteristik kömmt aber nicht durch eine äußere Form hinein, sondern diese von innen heraus. Fühle es recht, so wirst du auch den rechten Ausdruck finden. Und in welcher Weise sollten denn die alten Deutschen singen? In Händel'schem Style etwa? Warum nicht eben so gut in jedem andern deutschen Style? — Das sind die gefährlichen Klippen der Reflexion, bevor eine lebendige Conception da ist. Vielleicht dachte Chelard sich durch eine große Fuge dem deutschen Geschmacke zu nähern, vielleicht uns dadurch zu imponiren. Die Franzosen halten überhaupt die deutschen Musiker für ein Volk von Contrapunctisten und Fugisten. In der That, wir wissen hier recht gut, wie auch in manchen andern Dingen, Kern und Schale zu unterscheiden; auch will es uns bedünken, nach allem was uns dorther kommt, als ob in Frankreich die Fugenkunst nicht in besonderm Flor sein müsse. Uebrigens sind wir gegen die Anwendung der nackten Fugenform überhaupt, für dramatische und ähnliche Werke, die vor das große Publicum gehören. Die Allen, die darin uns unerreichte Muster gegeben haben, machten nicht anders, als in solchen ähnlichen Formen. Unsere Art zu denken und zu gestalten, ist ja aber ganz anders. Uns ist jene Form fast immer nur ein Aeußerliches, und wird unter den Händen der Meisten etwas Mechanisches, Gemachtes. Derer, die so weit in den Geist derselben eingedrungen sind, und eine solche Herrschaft darüber erlangt haben, daß ihnen dieselbe für jeden geistigen Ausdruck mit Leichtigkeit zu Gebote steht, sind immer nur Wenige, und die Gelegenheit selten, wo die Einführung dieser Form als eine innere Nothwendigkeit erscheint. Auch in dem geringen Hervortreten des melodiösen Elements glauben wir des Componisten Mangel an warmer Begeisterung für seine Germanen zu erkennen, so wie in der übermäßigen Anwendung von Effectmitteln jeder Art. Wenn aber in einem Gedanken selbst Kraft und Leben ist, wozu braucht es so vielen Aufwand von Instrumenten, so viel gewagte und gewaltsame Harmonieschritte, überhaupt solche in jeder Hinsicht überladene Partituren? Ueberlaßt solche krampfhafte Anstrengungen doch denen, die keine Gedanken haben, und ihre Armseligkeit damit verdecken wollen. Componisten aber, voll Phantasie und Geisteskraft, sollten gerade diesem Unwesen einen Damm entgegensetzen. Und instrumentirt ihr denn effectvoll, wenn ihr fortwährend die äußersten Mittel in Bewegung setzt? Wenn, wie es jetzt gewöhnlich ist, zu jeder Cavatine Posaunen u. dgl. gesetzt sind, was soll denn geschehen, wenn es gilt, gewaltig zu sein und durch Massen zu wirken? Dieser Weg führt gerade zum Unkünstlerischen, denn am Ende bleibt kein erlaubtes Reizmittel mehr stark genug. Können wir demnach mit der Art, wie der Componist das deutsche Element der Oper behandelt hat, im Allgemeinen nicht übereinstimmen, so wollen wir damit diefem Theile des Werkes nicht seine besonderen Schönheiten absprechen. Man kennt Chelard's Talent für dramatische Darstellung, und es bewährt sich in einzelnen Zügen auch hier. Uns scheint es, als sei er gerade durch das Bestreben, recht bedeutend, recht charakteristisch zu sein, unfrei geworden, und sein eigenthümliches, schönes Talent zieht uns gleich wieder an, sobald er die vorgenommene Miene vergißt oder fallen läßt. Weit freier und natürlicher ist er in der Schilderung der Römer. Hier zeigt er mehr Sympathie, und spricht die Sprache, die ihm eigen ist. Die oben berührten Extravaganzen finden sich auch hier, wie in den meisten neuern Werken, aber alles hat mehr Schwung, mehr Leben, mehr Melodie. Die Scene im 4. Acte, wo eine Schaar geschlagener Römer sich dem Untergange weiht, vorher aber die Adler in den Strom versenkt, um sie nicht in die Hände der Feinde fallen zu lassen, ist vom Dichter schön gedacht, und vom Componisten mit hoher dramatischer Wirkung behandelt und wird diese nirgends verfehlen. In Schwierigkeit der Ausführung steht die Oper auf dem Gipfel aller bisherigen Anforderungen an Sänger und Orchester, was immerhin nicht zum Vortheil des Componisten ausschlägt, und am wenigsten, wenn das Maß der Wirkung nicht dem der Schwierigkeit entspricht. Wir haben uns offen ausgesprochen über das, was uns in der Oper nicht anmuthet, und verkennen deshalb, wir wiederholen es, wahrlich am Wenigsten, was dieselbe Großartiges und Schönes bietet, sind auch überzeugt, daß wir bei näherer Bekanntschaft mit derselben dessen noch viel finden werden. Es ist schon ein Bedeutendes, wenn Jemand nach einem großen, würdigen Ziele strebt. Das rühmen wir, wie es recht ist, wenn wir auch mit den dazu angewendeten Mitteln nicht immer einverstanden sein sollten. Eines aber können wir dem Componisten nicht verzeihen. Das sind die vielen Vergehen gegen den Tonfall, Accent, Deklamation, überhaupt gegen den Genius der deutschen Sprache. Die stehen ihm, der uns eine Hermannsschlacht bringen will, besonders schlecht. Der Ausländer entschuldigt das nicht. Auch ist ja dieser seit 12 Jahren deutscher Capellmeister. Konnte er sich nicht selbst helfen, so hätte er gewiß in Deutschland einen tüchtigen Musiker gefunden, der ihm dabei zu Rath gewesen wäre. Unsers Erachtens wiegt keine Note so schwer, die nicht einer falschen Declamation aufgeopfert werden könnte. Man denke sich nur den umgekekrren Fall, wie ein Deutscher fahren würde, der den Parisern eine Oper bieten wollte, worin so viele Sünden gegen die französische Sprache wären! Wie lange wirst Du Dir es aber gefallen lassen, Deutschland, daß Fremde, die Dein deutsches Brod suchen, es nicht einmal der Mühe werth halten, Deine Sprache zu lernen?! —“ (Ebd.)