Klage wegen Landfriedensbruchs und Petitoriumklage, später (seit 1578/79) Turbations-, Spoliations- und Restitutionsklage, da der Beklagte 1546 die Grafschaft Neuenahr mit Waffengewalt überfallen und die kölnischen Untertanen, vor allem zu Ramershoven, Peppenhoven, Klein- Altendorf, Wormersdorf, Ipplendorf, Ersdorf, Holzweiler, Ringen, Karweiler, „Ouerich“ (Oberesch ?), Bengen, Wadenheim u. a., in dem Teil der Grafschaft, der an die Grafen von Sayn ausgegeben worden ist, gezwungen habe, ihm am 10. April 1546 „auf dem Scheid“ bei Eckendorf zu huldigen und den Untertaneneid zu leisten. Hintergrund des Streites ist die ungeklärte Besitzfrage bzgl. der Grafschaft Neuenahr, die de facto in einen kurköln. und einen jül. Hoheitsbereich geteilt war. Beide Prozeßparteien erhoben jedoch auf die ganze Grafschaft die Ansprüche der ungeteilten Jurisdiktion und der landesfürstlichen Oberhoheit („ius superioritatis territorialis“). Der Kläger behauptet, seine Landeshoheit dürfe wegen einiger jül. Dörfer in der streitigen Grafschaft nicht in Zweifel gezogen werden, denn der Beklagte könne aus diesem Besitz für sich nur eine „iurisdictio inferior feudalis ad certas pagos feudales“ bzw. eine Lehns- oder Afterlehnsherrlichkeit herleiten. Das Erzbistum Köln betrachtet als Ursprung seiner alleinigen Hoheitsrechte die Verleihung des Herzogtums Lotharingien 953 an Erzbischof Brun von Köln und bringt Besitztitel von 1343 (Q 103/104), 1382 (Q 84), 1384/85 (Q 85/86), 1401 (Q 76), 1404 (Q 77), 1424 (Q 88/89), 1427 (Q 78), 1437 (Q 91), 1443 (Q 92), 1446 (Q 79) und 1478 (Q 37) bei. Es argumentiert ferner, daß die Grafen von Neuenahr nachweislich seit 1463 sich kölnischen Landesvereinigungen angeschlossen und kölnische Landtage zu Neuenahr besucht haben, daß die Land- und Türkensteuer nach Köln entrichtet und vom neuenahrischen Landgericht nach Bonn oder an andere erzstiftische Hauptgerichte appelliert worden sei. Der Erzbischof von Köln beantragt daher die Restitution der halben Grafschaft Neuenahr, die Anerkennung seiner landesfürstlichen Oberhoheit und seiner geistlichen Juridiktionsgewalt in geistlichen und weltlichen Sachen über die ganze Grafschaft sowie Schadenersatz. Anlaß der Besitzstreitigkeiten war der kinderlose Tod des Grafen Kuno von Virneburg (Virneberg) im Jahre 1546. Der Herzog von Jülich, der sich als Oberlehnsherr des Mannlehens Neuenahr betrachtet, ließ durch seine Amtleute die Grafschaft als heimgefallenes Lehen einziehen. Er glaubt sich dazu berechtigt, da er die „possessio naturalis cum civili possessione“ vereine. Den Versuch des Erzbischofs Hermann (von Wied) von Köln, seinen Bruder Graf Friedrich von Wied und Graf Dederich von Manderscheid als nächste Erben und Verwandte des verstorbenen Grafen Kuno von Virneburg mit der Grafschaft Neuenahr zu belehnen, wertet er als widerrechtliche Bemächtigung. Der Beklagte leitet seine Ansprüche von der Belehnung des Markgrafen Wilhelm von Jülich mit der Grafschaft Neuenahr als Mannlehen durch den Pfalzgrafen Rudolf bei Rhein im Jahre 1344 (Q 112 Littera A) her und stützt sie mit weiteren Besitztiteln von 1344 (Q 112 Littera B/C), 1379 (Q 12), 1397 (Q 1 12 Littera D), 1513 (Q 13) und 1525 (Q 112 Littera E). Er wirft dem Erzbischof vor, sich 1382 mit einem Überfall auf den neuenahrischen Grafen Johann von Saffenberg gewaltsam in den Besitz eines Teils der Grafschaft gesetzt zu haben und erneut 1609 die Vakanz während des jül. Nachfolgestreits genutzt zu haben, um kölnische Wappen in Ahrweiler und Gelsdorf anschlagen zu lassen. Kurköln habe die Grafschaft nicht „proprio“, sondern „alieno nomine“ an die Grafen von Virneburg verliehen. Im Verlauf dieses langwierigen Prozesses wurde nur in den Jahren 1551/52, 1578/79 - 1583, 1716 - 1720 und 1793 - 1799 wirklich vor dem RKG verhandelt. In der 1. Phase 1551/52 war über die Einrede der Unstatthaftigkeit der Klageerhebung vor dem RKG wegen Litispendenz am Fürstengericht (Austrägalgericht) zu entscheiden. Ebf. Hermann von Köln, der Vorgänger des RKG-Klägers Ebf. Adolf, hatte nämlich gemäß der Reichsordnung von 1495 zur gütlichen Beilegung des Streites den beklagten jül. Herzog ersucht, vier regierende Kurfürsten, Fürsten oder Fürstmäßige zu benennen, von denen einer, als kaiserlicher Kommissar ausgewählt, das Fürstengericht leiten sollte. Der Beklagte hatte bereits vor der Prozeßeinführung am RKG Trier, Würzburg, Bayern und Baden benannt. Ebf.

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Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Rheinland
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