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Kabinett des Grafen Ludwig Moritz (Bestand)
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Der Bestand enthält Unterlagen der Kanzlei des Grafen Ludwig Moritz, die sich bis 2003 in unverzeichneten Nachträgen befanden. Ludwig Moritz (1678-1741) hielt sich überwiegend in Frankfurt auf, wo er eine eigene Verwaltung unterhielt.
1. Graf Ludwig Moritz: Graf Ludwig Moritz von Löwenstein-Wertheim-Virneburg wurde 1678 geboren. Nach dem Tode seines Vaters Graf Albrecht wurde ein Graf von Solms-Braunfels zu seinem Vormund berufen, ein Verwandter seiner Mutter, die eine geborene Gräfin von Solms-Greifenstein war. Ludwig Moritz immatrikulierte sich am 14. 2. 1693 an der Universität Halle. Kavaliersreisen führten ihn nach Kopenhagen, Versailles und Wien; in den folgenden Jahren war er bis 1709 in verschiedenen militärischen Funktionen unterwegs (vgl. den noch nicht ausgewerteten "Lebens- und Sterbens-Bericht" in StAWt-F Rep. 220 Nr. 37). Im ausgehenden 17. Jahrhundert war sein Onkel Graf Eucharius Casimir Senior im Haus Löwenstein-Wertheim-Virneburg. Nach dessen Tod im Jahr 1698 teilte sich Ludwig Moritz die Herrschaft mit seinem Cousin Heinrich Friedrich (+ 1721). Während Ludwig Moritz keinen Erben hatte, hinterließ Graf Heinrich Friedrich fünf Söhne, die im achtzehnten Jahrhundert die Geschicke des Hauses Löwenstein-Wertheim-Virneburg prägen sollten. Der ältere Bruder von Graf Ludwig Moritz, der 1673 geborene Graf Wilhelm Friedrich (+ 1718), verzichtete 1696 für zwanzig Jahre auf seine Regierungsbeteiligung und seine Einkünfte zu Gunsten des Bruders. Ludwig Moritz sollte im Gegenzug seine Schulden übernehmen und eine Rente auszahlen. Graf Ludwig Moritz erhielt im Jahr 1700 die kaiserliche venia aetatis und wurde regierungsfähig. Spätestens seit den 1720er Jahren lebte er überwiegend in Frankfurt am Main, wo er eine eigene Hofhaltung unterhielt (vgl. z.B. Berichte des Löwensteiner Kellers Wiedholz nach Frankfurt, F 131 Nr. 133). Folgt man der Adresse eines Briefes von Wiedholz an den Grafen (Dezember 1737, in F Rep. 1 Nr. 76 F Fasc. I) lag die Frankfurter Hofhaltung in der "Galgengaß" = Gallusgasse beim Galgen- oder Gallustor, heute südliches Bankenviertel (Gallusanlage/Willy-Brandt-Platz). Möglicherweise aus dieser Hofhaltung stammt der Schreibkalender eines Verwalters zum Jahr 1733, der sich im Gemeinschaftlichen Archiv erhalten hat (StAWt-G Rep. 107 Nr. 59). Einziges derzeit bekanntes Kind ist eine Tochter seiner Mätresse Marie Philippine Müller. Ludwig Moritz verstarb im Mai 1741. Zur Biographie vgl. Robert Meier, Eine Grafenmätresse trifft Joseph-Süß Oppenheimer, in: Wertheimer Jahrbuch 2002, 107-126.
2. Zur Verwaltung: Mit seinem Regierungsantritt im Jahr 1700 lässt sich eine eigene Kanzlei des Grafen Ludwig Moritz nachweisen, an deren Spitze Kanzleidirektor Zissler stand. Zusätzlich verfügte der Graf über eine eigene Kellerei in Wertheim (Rechnungsbestand StAWt-F R 85). Wie die Verwaltung des Grafen in sich und im Zusammenspiel mit der Kanzlei des Grafen Heinrich Friedrich (ab 1721: vormundschaftliche Kanzlei) und der Kanzlei der Rocheforter Linie genau funktionierte, ist unklar. Dies liegt zum einen sicher am Überlieferungszustand des Schriftguts, zum anderen aber auch an der Struktur dieser Verwaltung selbst. Es handelt sich dabei nämlich um eine für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts in Kleinterritorien vermutlich typische vormoderne Form mit gering ausgeprägtem Organisationsgrad: uneindeutige Ämterhierarchie und Kompetenzkonkurrenz gelten als typische Merkmale solcher "patrimonialer Behörden". Einzelne Mitarbeiter und deren Aktenführung haben in solchen Systemen große Bedeutung. Für die Überlieferungsbildung muss daher entschieden werden, ob man eher mit Nachlässen der Räte arbeiten möchte oder sich entschließt, eine (funktionierende) Registratur anzunehmen und zu rekonstruieren, die es in dieser Form nie gegeben hat. Welcher Grad von Organisation und Regelhaftigkeit der Abläufe ist nötig, um von einer "Provenienz" zu sprechen zu können? - das ist die Frage. Für Graf Ludwig Moritz kann man immerhin feststellen, dass er über Registratoren verfügte, was das Vorhandensein einer Registratur doch sehr wahrscheinlich macht. Der Nachlass seines wichtigsten Mitarbeiters Reuss (StAWt-F Rep. 223) liegt dagegen weitgehend erhalten separat vor und wurde nicht angetastet, sondern als eigene Provenienz dargestellt. Er ist parallel zum vorliegenden Bestand zu benutzen. Wenn im Nachlass des Kammerrats Reuss überwiegend Korrespondentenakten vorliegen, die hier präsentierte Verzeichnung sich aber an einer Sachaktenregistratur orientiert, so ist damit eine zweite Schwierigkeit der Verzeichnung und Anordnung des Schriftguts benannt. Eine dritte liegt in den verwaltungsgeschichtlichen Entwicklungen gerade dieser Jahrzehnte. Prozesse wie die Ausbildung des Landkommissariats (vgl. StAWt-F Rep. 224, Rep. 43) und die Errichtung separater Kammern fallen in Wertheim in die Jahre um 1700 und sind in der vorhandenen Überlieferung nur schwer abzubilden. Immerhin ermöglichen die bei solcher Verwaltung bei den Personen entstehenden (Korrespondenten-) Akten heute Einblicke in das Wertheimer Leben in dieser Zeit, weil der Graf sich überwiegend in Frankfurt aufhielt und ihm dorthin berichtet wurde (vgl. v.a. Rep. 223, Rep. 130 Nr. 94 , Rep. 90 Nr. B 32). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich folgende Personen als in der Verwaltung des Grafen Ludwig Moritz tätig feststellen: · Abt, Heinrich Wilhelm, Registrator (1735) · Fastnacht, Registrator (1716) · Fischer, Johann Friedrich Wilhelm, Regierungssekretär (um 1730), Kommissar (1727) · Greineisen, Theodor Crato, Keller und Kammerrat (+ 1731) · Johann Ludwig Kübel, Johann Ludwig, Hofrat · Nusch, Keller (1741) · Panzerbiter, Hofrat (1707) · Perschbecher, D.W., Hofrat (1730, 1731) · Reuss, Johann Georg (vgl. Rep. 223) · Schulz, Friedrich Hannibal, Hofverwalter (1734) · Trincks, J.E., Registrator (1719, 1721) · Watzdorf, von, Hofrat (nur kurzfristig) · Wolz, Johann Matthias, Verwalter in Frankfurt/M. (um 1725) · Zinck, Johann Matthias, Hofrat (1719, 1724-1727) · Zissler, Gregor, Kanzleidirektor (um 1700-1703; vgl. StAWt-F Rep. 40b Nr. 308) Weitere Bediente aus dem Testament des Grafen Ludwig Moritz: (F Rep. 129 Nr. 345) Peter Berger, Kammerkanzlist; Georg Caspar Ross, Kammerdiener; Simon Schwab, Kutscher.
3. Zum Bestand: Der vorliegende Nachtragsbestand wurde im Jahr 2002 gebildet aus von Robert Meier verzeichneten virneburgischen Nachträgen. Die Verzeichnungsdatei, aus der die Provenienz ausgekoppelt wurde, trägt die Signatur StAWt-F Rep. 214-III. Eine Konkordanz findet sich am Ende des Findbuchs. Der vorhandene Altbestand Rep. 90 (Kabinett des Grafen Ludwig Moritz) ist nach einem Litterierungssystem von A-Z + Nummer geordnet. Die Buchstaben beziehen sich dabei sowohl auf Eigennamen wie auf Gegenstände und Betreffe. Entsprechend schwierig ist das Findbuch zu benutzen. Folgende bislang als verloren gemeldete Nummern des Bestands wurden im Projektbestand aufgefunden bzw. über einen eindeutigen Titel rekonstruiert: A 26 C 35 F 32 H 3,5,6,40 J 8,9,10,22,23,25,26,27,53,57,66,69 K 16 M 26 R 22 S 25,47,78,81,88,92 V 11,13 W 16,22,23 Diese Signaturen sind jeweils im Feld "Vorsignatur" vermerkt. Es wäre zu überlegen, die Bestände in Zukunft zusammenzuführen, was allerdings eine Kontrolle der Titel und Laufzeiten in Rep. 90 voraussetzte. Als Klassifikation des vorliegenden Nachtragsbestandes wurde eine schlichte Gliederung nach Haussachen-Regierungssachen und Kammersachen unterlegt. Die Unterlagen der Provenienz Kanzlei Ludwig Moritz sind neben dem Provenienzbestand Rep. 90 in verschiedene andere Bestände eingegangen. Deren Wichtigste sind wohl Rep. 1 (hier Nr. 76 Fasc. A bis N die wichtigsten Unterlagen zum Leben des Grafen sowie Korrespondenzen mit seinen Räten), Rep. 1a (Abrechnungen mit seinem Bruder, Berichte des Hofrats Panzerbiter) und Rep. 5 (Sturmfeder-Prozesse). Das Löwenstein betreffende Schriftgut dürfte sich überwiegend in Rep. 129 befinden. Der Nachtragsbestand umfasst 1 lfd. m in 144 Einheiten. Dr. Robert Meier, im November 2003
4. Nachtrag: Im Januar 2023 wurden dem Bestand drei Akten aus dem Gemeinschaftlichen Archiv zugewiesen, die bei der Erschließung des dortigen Nachtragsbestandes G-Rep. 102 aufgefunden und zunächst dort enthalten geblieben waren (jetzt F-Rep. 90N Nr. 145-147; alt G-Rep. 102 Nr. 6077, 6078, 6484). Der Nachtragsbestand F-Rep. 90N umfasst nun 147 Einheiten. Dr. Monika Schaupp, 17. Januar 2023
1,4 lfd. m in 143 Einheiten
Bestand
1) zur Person Ludwig Moritz: Robert Meier, Eine Grafenmätresse trifft Joseph Süß-Oppenheimer. Zur Konstruktion eines Klischees und seinen Einsatz vor Gericht, in: Wertheimer Jahrbuch 2002 (2003), 107-126; 2) zur Bestandsbildung: Robert Meier, Luhmann im Alten Reich. Über einige systemtheoretische Überlegungen und ihre Konsequenzen für die Archivwissenschaft, in: Archivalische Zeitschrift 85 (2004).