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nationalsozialistischen Unrechts
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Internationaler Kontext

Hinsichtlich der Wiedergutmachung der seitens des NS-Regimes in ganz Europa verübten Verbrechen kollidierten die Forderungen der Betroffenen aus dem Ausland häufig mit dem Territorialitätsprinzip im Wiedergutmachungsrecht und mit der bis zu einem Friedensvertrag verschobenen Klärung der Reparationsfrage. Allerdings musste die Bundesrepublik Deutschland, um ihren Platz im internationalen Staatensystem nach dem Zweiten Weltkrieg einnehmen zu können, den westeuropäischen Partnern und Israel in dieser Frage entgegenkommen – im Gegensatz zur Haltung gegenüber Osteuropa, wo es nur in der Entspannungszeit der 1970er Jahre zu einigen wenigen Abkommen kam und erst nach der Wiedervereinigung 1990 die Wiedergutmachung in den Blick rückte.

 

Abkommen bis 1990

Für die neu gebildete Bundesrepublik Deutschland galt das am 12. Mai 1949 veröffentlichte Besatzungsstatut der Drei Mächte (Abl. AHK 1949, Nr. 1, S. 2, 13–15 PDF). Danach waren die drei Alliierten nicht nur für Restitutionen und Reparationen sowie die Überwachung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts zuständig, sondern auch für auswärtige Angelegenheiten insgesamt. Die Bundesrepublik Deutschland war kein neuer Staat und kein Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Sie war vielmehr, wie das Bundesverfassungsgericht u. a. im Urteil zum Grundlagenvertrag (BVerfGE 36, 1, S. 15 f.) feststellte, „als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich‘“, wenn auch in neu organisierter Form und mit einer Hoheitsgewalt, die sich nur auf ein Teilgebiet des Deutschen Reiches erstreckt („teilidentisch“).

Die Ablösung des Besatzungsstatuts erfolgte mit dem „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten“ (Deutschlandvertrag) und mit seinen Zusatzverträgen, zu dem der Überleitungsvertrag („Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen“) gehört. Das Vertragswerk wurde am 26. Mai 1952 unterzeichnet, trat jedoch nach der französischen Ablehnung des „Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ vorläufig nicht in Kraft. Erst am 5. Mai 1955 wurde er in aktualisierter Form (Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954, in: BGBl. 1955 II, S. 213–252 PDF) als Teil der Pariser Verträge in Kraft gesetzt (BGBl. 1955 II, S. 305–321 PDF). Damit erhielt die Bundesrepublik Deutschland ihre volle Souveränität, allerdings mit Einschränkungen: Die Drei Mächte behielten sich Rechte in Bezug auf Deutschland als Ganzes, die Wiedervereinigung und den Abschluss eines Friedenvertrages vor.

Im Überleitungsvertrag hatten die Drei Mächte auch auf eine Regelung hinsichtlich der Vereinheitlichung und Verbesserung der Entschädigung und der Rückerstattung gedrungen. Im Dritten Teil des Vertrages sicherte die Bundesregierung zu, die Rückerstattung nach den alliierten Gesetzen fortzuführen und für die bisher nicht befriedigten Geldforderungen gegenüber dem Deutschen Reich eine Regelung zu finden. Die geforderte Lösung wurde mit dem Bundesrückerstattungsgesetz vorgelegt. Hinsichtlich der Entschädigung verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland zu einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung, die sie dann mit dem Bundesergänzungsgesetz und dem Bundesentschädigungsgesetz verwirklichte.

Im fünften Teil des Überleitungsvertrages wurde die sogenannte äußere Restitution geregelt, also die auf Völkerrecht beruhende Rückgabe von Wertgegenständen (Schmucksachen, Silberwaren, antiken Möbel, Kulturgütern), die das Deutsche Reich und seine Verbündeten aus den während des Zweiten Weltkriegs besetzten Gebieten entnommen hatten. Die Bundesregierung errichtete in der Folge das Bundesamt für äußere Restitutionen zur Erfassung und Rückgabe dieser Gegenstände (BGBl. 1955 II, S. 700 PDF).

In der Reparationsfrage war nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges keine Regelung über die Gesamtreparationssumme getroffen worden. Im Protokoll der Potsdamer Konferenz vom August 1945 (Auszug in: Deutscher Bundestag. Stenographische Berichte. Bd. 12, S. 9551 f. PDF) einigten sich die Siegermächte auf die Entnahme aus den Zonen für zwei Jahre und auf die Aufteilung der Reparationsmasse: Die USA, Großbritannien und die berechtigten Staaten außer der UdSSR und Polen erhielten das deutsche Auslandsvermögen (außer Osteuropa) und die Vermögen der Westzonen. Die UdSSR, die aus ihren Reparationen auch die Forderungen Polens befriedigen sollte, durfte sich aus ihrer Zone bedienen und sollte aus den Westzonen ca. 25 Prozent der Reparationen erhalten. 1953 verzichteten die UdSSR und die Volksrepublik Polen auf weitere deutsche Reparationen. (Protokoll über den Erlass der Reparationszahlungen, 22. August 1953, und Erklärung der VR Polen, 24. August 1953, jeweils Abdruck in: Berliner Zeitung 9. Jg., Nr. 196, S. 3 bzw. 4. PDF)

Die sogenannte Westmasse behandelte das Pariser Reparationsabkommen vom 14. Januar 1946 (Abdruck: Deutscher Bundestag. Stenographische Berichte. 1. WP. Bd. 12, S. 9552–9555 PDF). Darin wurde eine Klärung der weiteren Reparationen auf den Zeitpunkt eines Friedensabkommens verschoben (Art. 2 B).

Im Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 (BGBl. 1953 II, S. 331–485 PDF) hieß es dann in Art. II, dass eine „Prüfung der aus dem Zweiten Weltkriege herrührenden Forderungen von Staaten, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten […] bis zu der endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt“ wird. Da die Regelung der Reparationsfrage auf den Zeitpunkt des Abschlusses eines Friedensvertrages vertagt worden war, war die Bundesrepublik, so ihre Argumentation, für die nächste Zeit von Forderung seitens des Auslands freigestellt. Allerdings gab es mehrere Ausnahmen: Israel und die Jewish Claims Conference sowie die westlichen Verbündeten.

 

Israel und jüdische Organisationen

Das sicherlich schwierigste und wichtigste Abkommen hinsichtlich der Wiedergutmachung war wenige Jahre nach dem Holocaust das Abkommen mit Israel und der Jewish Claims Conference. Nach schwierigen Verhandlungen schlossen die Bundesrepublik Deutschland und Israel am 10. September 1952 das Luxemburger Abkommen (BGBl. 1953 II, S. 35–97 PDF), das die finanzielle Unterstützung der Ansiedlung und Eingliederung jüdischer NS-Verfolger in Israel in Form von Warenlieferungen und Dienstleistungen vorsah.

Zusammen mit dem Luxemburger Abkommen unterzeichnete die Bundesregierung die Haager Protokolle, die sie mit der Conference on Jewish Material Claims against Germany (Jewish Claims Conference), einem Zusammenschluss von über zwanzig jüdischen Organisationen, ausgehandelt hatte und die Teil des Vertragswerks wurden. Im 1. Haager Protokoll verpflichtete sich die Bundesregierung, Verbesserungen und Erleichterungen zugunsten der Verfolgten in der Gesetzgebung zum Entschädigungs- und Rückerstattungsrecht zu erreichen. Im 2. Haager Protokoll sagte sie Mittel an die Jewish Claims Conference zu, „für die Unterstützung, Eingliederung und Ansiedlung jüdischer Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung“, die „bei Abschluß dieser Vereinbarung außerhalb Israels leb[t]en“.

Weitere wichtige Abkommen waren unter anderem das sogenannte Dinstein-Abkommen vom 6. Februar 1970, das die Finanzierung von Gesundheitsschadensrenten von in Israel lebenden jüdischen NS-Verfolgten regelte, und das am 17. Dezember 1973 geschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit (BGBl. 1975 II, S. 246–252 PDF). Dieses Sozialversicherungsabkommen sorgte insbesondere bei in Israel lebenden NS-Verfolgten für nicht unerhebliche Verbesserungen in der Altersversorgung.

 

USA

Ein ähnliches Sozialversicherungsabkommen schloss die Bundesrepublik Deutschland u. a. auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieses am 7. Januar 1976 unterzeichnete Abkommen (BGBl. 1976 II, S. 1358–1370 PDF) verhalf den in den USA lebenden NS-Verfolgten zu einer deutlichen Aufbesserung der Altersrente.

 

Westeuropa

Da ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als NS-Verfolgte aufgrund des Territorialitätsprinzips im deutschen Wiedergutmachungsrecht und aufgrund der aufgeschobenen Reparationsregelung keine Leistungen erhalten konnten, wandten sich Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande und Norwegen am 21. Juni 1956 mit gleichlautenden Noten an die Bundesregierung (z. B. Verbalnote Dänemarks vom 21. Juni 1956, in: BArch, B 136/3306, Bl. 8 f. PDF). Nach längerer Entscheidungsfindung schloss die Bundesrepublik Deutschland Globalabkommen mit diesen acht Staaten sowie mit weiteren westlichen Ländern, so mit Luxemburg am 11. Juli 1959 (BGBl. 1960 II, S. 2077–2108 PDF), mit Norwegen am 7. August 1959 (BGBl. 1960 II, S. 1336–1338 PDF), mit Dänemark am 24. August 1959 (BGBl. 1960 II, S. 1233–1335 PDF), mit Griechenland am 18. März 1960 (BGBl. 1961 II, S. 1596–1598 PDF), mit den Niederlanden am 8. April 1960, (BGBl. 1963 II, S. 629–645 PDF; BGBl. 1963 II, S. 663–665 PDF), mit Frankreich am 15. Juli 1960 (BGBl. 1961 II, S. 1029–1033 PDF), mit Belgien am 28. September 1960 (BGBl. 1961 II, S. 1037–1039 PDF), mit Italien am 2. Juni 1961 (BGBl. 1963 II, S. 791–797 PDF), mit der Schweiz am 29. Juni 1961, (BGBl. 1963 II, S. 155 f. PDF), mit Österreich am 27. November 1961 (BGBl. 1962 II, S. 1041–1063 PDF), mit Großbritannien am 9. Juni 1964 (BGBl. 1964 II, S. 1032–1036 PDF) und mit Schweden am 3. August 1964 (BGBl. 1964 II, S. 1402–1404 PDF).

Diese Abkommen sahen jeweils Globalzahlungen vor; die Betroffenen erhielten keine direkten Zahlungen von der Bundesrepublik Deutschland. Die Staaten, die das Geld erhielten, entschieden selbst über die geeignete Verwendung der Mittel für ihre von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen Staatsangehörigen.

In gesonderten Vereinbarungen fand zusätzlich das Problem der Entschädigung zwangsrekrutierter Wehrmachtssoldaten aus Belgien (Eupen-Malmedy), Frankreich (Elsass-Lothringen) und Luxemburg Berücksichtigung: so in Abkommen mit Belgien am 21. September 1962 und am 5. Dezember 1973 (BGBl. 1964 II, S. 455–460 PDF; BGBl. 1974 II, S. 1252–1255 PDF), mit Frankreich am 31. März 1981 (BGBl. 1984 II, S. 608 f. PDF) und im Notenwechsel mit Luxemburg am 30. November 1987 über die Leistungen an die Luxemburger Stiftung „Altenhilfe“ zur Unterstützung ehemaliger Zwangsrekrutierter und deren Familien.


Günther van Well (r.), Staatssekretär des Auswärtigen Amts, und Jean-Pierre Brunet, Botschafter Frankreichs in der Bundesrepublik Deutschland, bei der Unterzeichnung des deutsch-französischen Abkommens zur Entschädigung von im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht zwangsrekrutierten Elsässern und Lothringern im Auswärtigen Amt in Bonn am 31. März 1981. (Copyright: Bundesregierung, B 145 Bild-0017197 / Wegmann, Ludwig)

 

Osteuropa

In der Zeit der Entspannungspolitik in den 1970er Jahren wurden verschiedene Abkommen geschlossen, die eine indirekte Wiedergutmachung über die Gewährung finanzieller und wirtschaftlicher Hilfen darstellten.

Ein Vorläufer in dieser Richtung war der Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Jugoslawien vom 10. März 1956 (BGBl. 1956 II, S. 967–669 PDF). Nach dem Gespräch zwischen Bundeskanzler Brandt und Staatspräsident Tito auf der Insel Brioni, das den Begriff Brioni-Formel für diese indirekte Wiedergutmachung prägte, folgten zwei weitere Abkommen: das Kapitalhilfeabkommen vom 20. Februar 1972 und das Abkommen über die Gewährung von Kapitalhilfe vom 10. Dezember 1974 (BGBl. 1975 II, S. 361–363 PDF).

Eine ähnliche Übereinkunft fand man mit Polen. Neben dem Abkommen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl. 1976 II, S. 393–402 PDF), das eine pauschale Abgeltung von polnischen Ansprüchen an die deutsche Rentenversicherung vorsah, wurde Polen in einem Finanzabkommen ein zinsgünstiger Milliardenkredit zu Verfügung gestellt. In Gegenzug gewährte Polen auch zusätzlich die Ausreisemöglichkeit von in Polen lebenden Deutschen (Bulletin Nr. 121. 10. Oktober 1975, S. 1198–1199 PDF).

Zum Ausgleich von Rückerstattungsforderungen aus Ungarn wurde eine Vereinbarung mit der Landesorganisation für Interessenvertretung der Nazi-Verfolgten in Ungarn am 22. Januar 1971 getroffen (BArch, B 136/7296, Bl. 228–242 PDF). Diese sah eine Globalzahlung an die ungarische Seite vor.

Außerdem schloss die Bundesregierung, um die Verfahren für die Entschädigung der Opfer von pseudo-medizinischen Versuchen zu erleichtern, spezielle Globalvereinbarungen mit verschiedenen osteuropäischen Staaten, so mit Jugoslawien am 24. April 1961 und 7. September 1963 (Zusatzabkommen), mit der ČSSR am 30. Oktober 1969 (BArch, B 136/7295, Bl. 8–10 PDF), mit Ungarn am 11. Januar 1971 (BArch, B 136/7296, Bl. 243–257 PDF) und mit Polen am 16. November 1972.

 

Vereinte Nationen

Die Bundesregierung hatte im Überleitungsvertrag einer Regelung für die Entschädigung von Personen, die maßgeblich aus Gründen der Nationalität einen Schaden erlitten hatten und am 1. Oktober 1953 Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention waren, zugestimmt. Bei den Betroffenen handelte es sich meist um Menschen aus Polen und der Sowjetunion, die nicht mehr in ihre kommunistischen Heimatländer zurückkehren, sondern sich in westeuropäischen Staaten niederlassen wollten. Für diese aus Gründen der Nationalität Verfolgten (sogenannte Nationalgeschädigte, Nationalverfolgte), die keine Verfolgten im Sinne des BEG waren, wurde eine Sonderregelung ins Bundesentschädigungsgesetz eingefügt (§§ 76 ff. BErgG, §§ 167 ff. BEG). Sie erhielten einen Anspruch auf Geldrente allerdings nur für aufgrund der Nationalität erlittene Schäden an Körper und Gesundheit bei dauerhaften Gesundheitsschäden. Sie bekamen keinen Anspruch auf Kompensation von Schäden durch Freiheitsentzug oder auf Hinterbliebenenversorgung.

Da viele Betroffene nach diesen Vorschriften keine oder nur eine unangemessen geringe Leistung erhielten und die nationale sowie internationale Kritik daran nicht verstummte, schloss die Bundesregierung ein Abkommen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) am 5. Oktober 1960 (BAnz Nr. 53, 16. März 1961, S. 3 PDF), das die Bildung eines vom Flüchtlingskommissar verwalteten Härtefonds und eine Aufstockung der Entschädigung für Gesundheitsschäden vorsah. Am 24. November 1966 wurde ein Zusatzfonds vereinbart und am 11. November 1981 ein weiteres Abkommen mit dem UNHCR geschlossen (BGBl. 1982 II, S. 80 f. PDF), das zusätzliche Mittel für Flüchtlinge vorsah, die erst nach dem 31. Dezember 1965 ihr Heimatland verlassen hatten. Der Fonds erfuhr mit der Vereinbarung vom 10. September/27. November 1984 nochmals eine Erhöhung.


Registrieren der Posteingänge (10.000 bis 15.000 Anfragen pro Monat) beim Internationalen Suchdienst in Arolsen 1958. Der Suchdienst war auch bei der Aufklärung von Schicksalen Verfolgter und ihrer Angehörigen tätig. (Copyright: ICRC archives (ARR), Arolsen, Service International de Recherches. Enregistrement du courrier, 1958, V-P-HIST-02743-10A)

 

Abkommen seit 1990

Mit der Wiedervereinigung und nach dem Ende des Kalten Krieges in Europa setzte in den 1990er Jahren eine neue Dynamik in der Wiedergutmachung ein. Hinsichtlich der Staaten in Mittelost- und Osteuropa wurde die dort ausgebliebene Wiedergutmachung für NS-Verfolgte angemahnt und die Frage nach der bisher abgelehnten Entschädigung für Zwangsarbeit neu und vehement gestellt. Auch mit den USA, die in dieser neuen Wiedergutmachungsdiskussion als treibende Kraft auftraten, erfolgte der Abschluss von Abkommen zu Entschädigungsfragen.

 

Offene Vermögensfragen

Vor der Wiedervereinigung hatten die DDR und die USA viele Jahre erfolglos über offene Vermögensfragen verhandelt. Hierbei ging es vor allem um das Eigentum von US-Bürgern, das in der DDR bzw. davor in der Zeit des Nationalsozialismus enteignet und von der DDR nicht zurückgegeben worden war. Die entsprechenden Verhandlungen wurden vom wiedervereinigten Deutschland fortgesetzt und mit dem Abkommen über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche am 13. Mai 1992 (BGBl. 1992 II, S. 1222–1227 PDF) abgeschlossen.

 

Stiftungen und Projekte

Zur Entschädigung der NS-Verfolgten in Osteuropa wurden weder die abgelaufenen Fristen für das BEG wieder geöffnet noch ein neuer Entschädigungsanspruch, der dann von den deutschen Behörden zu bearbeiten und ggf. von deutschen Gerichten zu überprüfen wäre, begründet. Die Bundesregierung stellte vielmehr Geld für neu zu gründende Stiftungsfonds in den jeweiligen Ländern zur Verfügung, aus denen dann NS-Verfolgte eine humanitäre Hilfe im Härtefall erhalten konnten.

Die erste entsprechende Stiftung („Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung“) wurde mit dem Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen am 16. Oktober 1991 ins Leben gerufen. Es folgte der Notenwechsel der Bundesrepublik Deutschland mit Weißrussland, Russland und der Ukraine vom 30. März 1993 über die finanzielle Unterstützung für die in den drei Ländern zu errichtenden Stiftungen. Ein Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds wurde mit der deutsch-tschechischen Vereinbarung vom 29. Dezember 1997 (BGBl. 1998 II, S. 118–126 PDF) auf den Weg gebracht.

Mit den baltischen Ländern schloss die Bundesregierung jeweils Regierungsvereinbarungen über die Finanzierung konkreter sozialer Projekte für die individuelle Bedürfnisse der NS-Verfolgten: mit Estland am 22. Juni 1995, mit Litauen am 26. Juli 1996 und mit Lettland am 27. August 1998. Auf ähnliche Weise erhielten weitere ost- und südosteuropäische Länder (Albanien, Bulgarien, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, Rumänien, Slowakei, Ungarn) zwischen 1998 bis 2000 finanzielle Unterstützung (Hirsch-Initiative). Die Durchführung der jeweiligen Maßnahmen lag dann bei Organisationen in den jeweiligen Ländern, wie dem Roten Kreuz o. ä. Institutionen.

Eine etwas anders gelagerte Stiftung richteten die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika am 17. Juli 2000 (BGBl. 2000 II, S. 1372–1388 PDF) mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ ein, die die Entschädigung von Zwangsarbeit organisierte.

 

Regelungen für Individualleistungen

Weitere Vereinbarungen über Härteregelungen sowie konkrete individuelle Unterstützung in Einzelfällen vereinbarte die Bunderegierung mit den USA sowie der Jewish Claims Conference.

USA

Mit den Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland am 19. September 1995 ein Abkommen über abschließende Leistungen zugunsten bestimmter US-Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen waren. Das Abkommen wurde durch eine Zusatzvereinbarung am 25. Januar 1999 ergänzt (U.S. Department of State. Office of Treaty Affairs. Treaties and Other International Acts Series Nr. 13019 Online-Version).

Jewish Claims Conference

Am 29. Oktober 1992 schloss die Bundesregierung mit der Jewish Claims Conference die sogenannte „Artikel-2-Vereinbarung“. Sie beruhte auf der deutsch-deutschen Vereinbarung über die Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrages vom 18. September 1990, in deren Artikel 2 sich das wiedervereinigte Deutschland verpflichtet hatte, „für eine gerechte Entschädigung materieller Verluste der Opfer des NS-Regimes einzutreten“ und „mit der Claims Conference Vereinbarungen über eine zusätzliche Fondslösung zu treffen, um Härteleistungen an die Verfolgten vorzusehen, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland bisher keine oder nur geringfügige Entschädigungen erhalten hatten.“ (BGBl. 1990 II, S. 1239–1245, hier S. 1239 PDF). Die Artikel-2-Vereinbarung erfuhr am 15. November 2012 eine Neufassung (Homepage der Deutschen Botschaft Santiago de Chile PDF).

Weitere Übereinkommen mit der Jewish Claims Conference folgten. So wurde u. a. im Januar 1998 eine Vereinbarung über die materielle Unterstützung des von der Jewish Claims Conference zu errichtenden Fonds zur Entschädigung von jüdischen NS-Verfolgten in mittel- und osteuropäischen Staaten (CEEF) geschlossen. Im August 2014 kam man überein, einen gemeinsamen Fonds für Einmalleistungen als Zuschuss für therapeutische, psychologische und medizinische Maßnahmen für als Kinder verfolgte jüdische Opfer (Child Survivor Fund) einzurichten. Eine Neufassung der Vereinbarung über die Gewährung von Mitteln an einen Fonds der JCC zur Finanzierung von häuslichen Fürsorgeleistungen für jüdische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Homecare-Fonds) folgte am 1. Januar 2017.

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