Ein Screenshot von Google?!

Von Anke Napp

Dieses Großglasdia entstand in den 1960er Jahren. Es besteht aus einer belichteten Glasplatte und einem Deckglas, die mit Klebestreifen zusammengehalten werden. Eingeschoben in einen Projektor brachten es Optik und elektrisches Licht zum Leuchten: bis zu vier Meter vergrößert an der Projektionswand. Das Dia wurde vom Fotografen der Universität gefertigt. Die kleine Fotostelle schaffte bis zu 1000 neue Dias pro Semester für die bildhungrigen Vorlesungen und Seminare der Kunsthistoriker! Zehn Jahre später, als die Verwendung der Großglasdias endete, besaß das Seminar über eine Viertelmillion – die größte Sammlung Europas, zusammen getragen aus Bestellungen bei Ateliers und Verlagen, und der Fertigung der Fotostelle. Den zähen Bestandsaufbau seit Gründung der Universität 1919 begleiteten immer wieder Bitten an die Stadt, doch Geld für die Beschaffung der Dias und Fotos zu bewilligen. Ohne Dias keine Kunstgeschichte! Schließlich gab es noch kein Internet, in dem auf Suchanfrage unzählige Versionen des gesuchten Bildes den Bildschirm füllten.

Dieses Exemplar ist Nummer 94.576, und es ist etwas Besonderes, das sich in keinem Buch findet, und auch bei keinem Verlag. Im Originalgrößenverhältnis hat hier der damalige Hamburger Kunstgeschichtsprofessor Wolfgang Schöne Zeichnungen von Rembrandt „skizziert“. Obwohl, Skizzen kann man es schon fast nicht mehr nennen! Mit sicheren Bleistiftstrichen sind Bildaufbau und Beleuchtungsverhältnisse prägnant auf Millimeterpapier erfasst. Einer Ausgabe bei Google ähnlich gruppieren sich Werke des berühmten Künstlers wie an einer virtuellen Museumswand, oder bei einer Internetrecherche. Unwillkürlich möchte man eines der Bildchen auswählen und hinein zoomen. Der dahinterstehende enorme Arbeitsaufwand ist greifbar.

Wolfgang Schöne zeichnete viel, ganz im Sinne kunsthistorischer Tradition: Grundrisse, Architekturdetails und Gesamteindrucke, Rekonstruktionen antiker Ruinen und ursprünglicher Gemäldefassungen. Alle Zeichnungen sind datiert, wie diese auf den Mai 1962. Kopien der Skizzen wurden in den Bestand der Fotosammlung eingegliedert, und Diapositive davon angefertigt, wie dieses. In die Kartei kam ein kleiner Fotoabzug und erlaubte so, den Bestand der Dias in Augenschein zu nehmen ohne die fünf Kilo schweren Kästen mit den Glasplatten vom Regal heben zu müssen.

Im Tauschverkehr der Universitäten, in denen Dias und Fotos herumreisten, waren die Schöne-Skizzen besonders beliebt. Nur eines fehlt immer: die Farbe! Farbige Großglasdias konnten damals nicht von der Fotostelle gefertigt werden. Außerdem stand die Kunstgeschichte farbigen Reproduktionen lange Zeit mit gemischten Gefühlen gegenüber – sie konnten die Einzigartigkeit des Originals gerade bei Gemälden nicht ersetzen. Außerdem waren Kleinbilddias auf Farbfilm eine teure, oft zu teure, Angelegenheit für die Universitäten, so dass sie bis in die 1970er Jahre nur selten beschafft wurden.

In Schönes schwarzweißen Skizzen von farbigen Vorbildern finden sich zum Teil Beschreibungen der dort sichtbaren Farben. Aber zeichnete Schöne auch in Farbe oder übertrug er alles in Schwarzweiß-Fernsehen? Ja, zahlreiche farbige Gemäldeskizzen sind erhalten. Schwarzweiße Postkarten kolorierte er mit raschen Strichen per Hand. Im Zusammenhang mit dem zugehörigen Vorlesungs- oder Publikationstext outen sich diese kleinen Werke, die auf den ersten Blick von Kinderhand zu stammen scheinen, als Gedächtnisstütze. In die Lehrsammlungen erhielten sie keinen Zutritt.

Der Text stammt von Anke Klapp vom Historischen Bildarchiv des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung des Textes und die schöne Objektgeschichte.

 

Sie möchten weitere Objekte von Wolfgang Schöne aus dem Historischen Bildarchiv des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg entdecken? Hier entlang ...

Loading...