Carnevals-Belustigungen in den Rheinprovinzen

Von Hannah Stelberg

Als das Rheinland 1815 preußisch wurde, bestand in vielen rheinischen Städten bereits eine lange Tradition des Karnevals. Somit sah sich die oberste preußische Verwaltungsbehörde der 1822 geschaffenen Rheinprovinz stetig mit den Jecken und ihrem rheinischen Frohsinn konfrontiert. Zeugnis hiervon liefern umfangreiche Aktenbände im Bestand des Oberpräsidiums der Rheinprovinz.

Mit der Gründung des Festordnenden Comités und dem ersten Rosenmontagszug am 10. Februar 1823 in Köln gab sich der rheinische Karneval, der zuvor von eher ungeordneter Maskerade geprägt war, erstmals eine organisierte Struktur. Die Festlichkeiten wurden immer umfangreicher, prächtiger und kommerzieller– und fanden in anderen rheinischen Städten schnell Mitstreiter. 

Die preußische Regierung in Berlin konnte mit dem närrischen Treiben wenig anfangen: So erkundigte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. mit Schreiben vom 22. November 1827 höchstselbst, „welche Behörde in unserer Zeit die Erlaubniß zu diesen in Deutschland nicht üblichen Volkslustbarkeiten gegeben“ habe (LHAKo Best. 403 Nr. 2616: Blatt 27).

Der Oberpräsident der Rheinprovinz Karl Freiherr von Ingersleben sah sich wohl hierdurch veranlasst, dem preußischen Innenministerium in Berlin die „Gewohnheit der Masqueraden“ am Rhein zu erläutern, die „seit mehreren Jahrhunderten durch landesherrliche Verordnungen geschützt und erhalten“ worden seien. Vermutlich darum bemüht, die Unbedenklichkeit der Feierlichkeiten darzustellen, führte er an, dass sich seit der „Restauration Deutschlands“ nach der französischen Besatzung die „Reichen und Wohlhabenden der Sache wieder bemächtigt und ihr eine ordnungsgemäße Form gegeben“ hätten. (LHAKo Best. 403 Nr. 2616: Blatt 31 und 32)

Bonner Karnevalisten argumentierten zwar in einer Bittstellung an den preußischen König, ihnen die Abhaltung eines Maskenzugs zu gestatten, damit, dass dieser einzig der „Förderung einer allgemeinen unschuldigen Volkslust“ diene (LHAKo Best. 403 Nr. 2616: Blatt 539). Den Karnevalisten ging es jedoch um mehr. Dies bezeugen die Schriften der preußischen Zensoren – wie beispielsweise des Kölner Polizeipräsidenten Georg Karl Philipp von Struensee –, die die Karnevalszeitungen, welche die Festlichkeiten begleitend erschienen, verboten sehen wollten. Diese seien voll von „Invectiven und heimlich boshaften Anspielungen“ ((LHAKo Best. 403 Nr. 2616: Blatt 89). Auch der Koblenzer Oberbürgermeister Abundius Maehler sprach sich gegen eine Erlaubnis der Karnevalszeitung Jocusstädtischer Anzeiger aus, da diese nur dazu diene, durch „unanständige, beleidigende Lustigmacherey“ Feindschaften zu schüren (LHAKo Best. 403 Nr. 2616: Blatt 61).

Die in Preußen vorherrschende Zensur kommentierten Kölner Karnevalisten in ihrem Festtagsprogramm von 1829 folgendermaßen: „[…] denn obgleich die Deutschen nicht aufs Maul gefallen sind, so hat ihre Redekunst dennoch noch den Maulkorb an, und sie bringen es höchstens zur – Maulafferei.“ (LHAKo Best. 403 Nr. 2616: Blatt 80) 

Wenn demnach augenscheinlich Differenzen zwischen der preußischen Obrigkeit und den rheinischen Karnevalisten bestanden, konnten die Rheinländer doch weitgehend an ihren Bräuchen festhalten. Vielleicht sahen sie die Feierlichkeiten aber auch als einen Akt der Selbstbehauptung gegen die preußischen Besatzer – oder warum sonst hätte Johann Wolfgang von Goethe den Karnevalisten 1825 folgende Verse widmen sollen:

Da das Alter, wie wir wissen,
Nicht für Thorheit helfen kann;
War es ein gefundner Bissen
Einem heiteren alten Mann,
Daß am Rhein, dem vielbeschwomnen,
Mummenschaar sich zum Gefecht
Rüstet, gegen angekommnen
Feind, zu sichern altes Recht. [...]
Der Kölner Mummenschanz, in: Offizielle Carnevals-Zeitung. Extrablatt vom 9. Februar 1825.

 

Quellen und weiterführende Literatur:

 

Der Text stammt von Hannah Stelberg vom Landeshauptarchiv Koblenz. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung des Textes und die Objektgeschichte zu den Hintergründen der närrischen Zeit.

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